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Dieses Thema hat 10 Antworten
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 Wahllokal - Geschichten & Gedicht des Monats
Biggi Offline

Administratorin

Beiträge: 2.524

26.03.2008 03:18
Zur Wahl - Geschichten-Sammelstelle Thread geschlossen
Hier also,
kann jedes Mitglied, das mit einem seiner Werke bei der Wahl zur
'schönsten Geschichte' teilnehmen möchte, seine Geschichte posten.



Infos zur Wahl findet ihr hier ---> Teilnehmer-Infos
Heidemarie Rottermanner Offline


Treue Seele



Beiträge: 1.032

26.03.2008 07:19
#2 RE: Zur Wahl - Geschichten-Sammelstelle Thread geschlossen
Zauberhafter Gefährte!



Inmitten zerklüfteter Felsen stand sie erbaut, die mächtige Burg. Weit sah man von dort in das blühende Land, mit den wogenden Feldern. Die Bauern lebten in Eintracht und Frieden miteinander, hatten genug zu essen und führten ein geordnetes Leben. Keiner der Untertanen musste hungern oder frieren, sie nannten stattliche Häuser ihr Eigen und lebten zufrieden in den Tag.

Fürst Marzina, der auf Burg Strahlenstein herrschte, regierte das Land mit Umsicht und Güte. Die einzige Tochter des Fürstenpaar, ein zauberhaftes Wesen mit langen, blonden Ringellocken und tiefblauen Augen, wurde von ihren Eltern über alles geliebt.

Doch Mistraldas Herz war unzufrieden und launisch. Immerzu mussten ihre Kammerzofen und Gespielinnen die unmöglichsten Wünsche erfüllen. Geschah etwas nicht nach ihrem Willen, dann wurde sie bitterböse. Das Fürstenkind schrie und stampfte mit den Füßen, warf mit Spielzeug, Messer und Geschirr um sich. Bald wechselten die Bediensteten die Arbeitsstelle. Sie fragten in Küche, Garten oder im Stall nach einer Beschäftigung. Kaum einer ertrug länger die Launen dieses herrschsüchtigen Mädchens.
So wuchs das Kind zu einer bildschönen Frau heran. Der Vater war in großer Sorge, wollte er doch seine Tochter mit einem tüchtigen Ehemann verheiraten. Kaum ein Freier würde die Launen der jungen Frau ertragen!

Eines Tages war Mistral im Rosengarten unterwegs. Dieses bezaubernde Plätzchen hatten die Untertanen des Fürsten in mühevoller Arbeit unweit der Burg angelegt.
Als sich die junge Frau über eine besonders schöne, rote Rose beugte, tänzelte ein Schmetterling daher. Im Sonnenlicht leuchtete der luftige Gesell in den herrlichsten Farben. Leicht und beschwingt glitt er durch die Luft, Mistralda war entzückt von ihm. Doch sogleich schrie ihr Herz: „Den muss ich haben. Hier und sofort auf der Stelle!“ So, als würde das herrliche Geschöpf ahnen, was ihr böses Herz begehrte, verschwand der zauberhafte Schmetterling. Wütend rannte Mistralda in die Burg zurück und suchte verzweifelt ihren Vater.
Als sie diesen endlich in seiner Schreibstube fand, forderte sie ihn wild entschlossen auf, ihren Wunsch zu erfüllen:
„Vater schicke sofort deine Boten in aller Herren Länder und lass sie verkünden: Wer mir, Mistralda, der Tochter des Fürsten von Strahlenstein, den wundersamen Schmetterling tot zu Füßen legt, wird mein Ehegatte und Herrscher dieses Landes.“
Fürst Marzina seufzte tief über diesen unmöglichen Wunsch seiner geliebten Tochter. Da er es aber nicht über sein Herz brachte seinem verzogenen Kind dies auszureden, gab er nach und schickte seine Boten aus. Sogleich begann im ganzen Land die Jagd nach dem zauberhaften Wesen.

Der große, wunderschöne und zarte Schmetterling verbarg sich zitternd im tiefen, dunklen Wald. Die Baumelfe Grimildo kümmerte sich rührend um ihren Liebling. Sie braute ihm einen Beruhigungstrunk. Die Elfe füllte einen Becher und gab ihm zu trinken. Ermattet sank das schöne Tier ins grüne Moos. Grimildo zauberte das Geschöpf in ihr Körbchen. Eilends flog sie mit ihm auf die bunte Sommerwiese, weit abgelegen ins Tal der Honigelfen. Dort war er in Sicherheit. Nicht ein Freier der herzlosen Fürstentochter vermochte ihn dort zu finden.
Auch Rudolfo, der Sohn eines armen Landgrafen, hatte von dem unmöglichen Wunsch Mistraldas gehört. Er machte sich mit seinem einzigen Pferd, einem gutmütigen, braunen Wallach auf die Suche. Und das Schicksal führte ihn geradewegs auf die abgeschiedene, bunte Sommerwiese. Dort legte sich der junge Bursch im Schatten einer Linde zur Ruhe. Sein Pferd Samos ließ er indessen das saftige Gras weiden. Ausgeruht erwachte er, rubbelte seine Augen und schaute um sich. Da erblickte er den zauberhaften und wunderschönen Schmetterling. Dieser saß ruhig auf einer Lichtnelke, wippte mit den Flügeln auf und ab und sah ihn an. „Nun Rudolfo, jetzt musst du mich fangen, töten und zur eigensinnigen Fürstentochter bringen“, begann er leise zu sprechen. Rudolfo strich das lange, gelockte, braune Haar aus seiner Stirn und schwieg. Seine Augen folgten dem Flug des luftigen Gesellen. Er begann erst zu sprechen als sich dieser auf seiner Hand niederließ: „Wie könnte ich dir, du Geschöpf des Himmels, nur solch Leid antun!“ Nein niemals, bekäme ich auch alle Güter dieser Erde, ich würde nicht nach deinem Leben trachten.“
„Und doch müssen wir zu ihr reiten. Es bleibt uns keine Wahl. Mit deiner Hilfe, deinem guten und liebenden Herzen müsste es gelingen, diese herzlose Frau zu erlösen“, antwortete der Schmetterling
„Wie soll dies geschehen?“, fragte Rudolfo.
„Nun, wir beide reiten zur Burg und du lieferst mich der Fürstentochter aus, “ antwortete der bunte Falter.
„Nein, niemals lasse ich dies zu“, eilends stürzte Grimildo herbei, warf sich auf die Erde und begann bitterlich zu weinen. „Dort erwartet dich der sichere Tod und dies darf nicht geschehen, ich liebe dich zu sehr“, schluchzte die Elfe.
Rudolfo wusste gar nicht wie ihm geschah, wie konnte er diese zierliche Person trösten?
Er pflückte ein Gänseblümchen und kitzelte die kleine Elfe an der Nase. Nach einem herzhaftem „Hatschi“ hörte diese endlich auf zu heulen. Der Grafensohn ging in die Knie und tröstete die Kleine: „Keine Angst, ich werde auf deinen schönen Liebling Acht geben und ihn hüten wie meinen Augapfel.“ Dann richtete er sich auf, zog sein Schwert und fuchtelte wild durch die Luft. „Ich werde kämpfen und deinen schönen Freund verteidigen. Mag kommen, was will!“ So redete er und machte ein grimmiges Gesicht.
Grimildo betrachtete den Helden von oben bis unten, hielt ihre zierliche Hand vor den Mund und begann vor Lachen zu prusten. Noch immer kichernd sagte sie endlich: „Oh nein, mein junger Herr, kämpfen steht Euch gar nicht!“
„Hast recht“, gab Rudolfo breit grinsend zu, „ doch muss ich tun, was dieser mutige Falter von mir erwartet“. „Nun gut“, antwortete die zierliche Elfe, sie holte einen rot leuchteten Rubin aus ihrer Tasche und reichte diesen dem Jüngling.
„Bevor du die Burg erreichst, nimmst du diesen Stein in deine Hand und bei Gefahr murmelst du: ` Hier wie dort, entfalt die Kraft der Liebe und schick sie fort, damit sie ewig bliebe!“`
Mit guten Ratschlägen ausgerüstet, ritt Rudolfo auf seinem gemütlichen Wallach Richtung Burg, der Schmetterling flatterte fröhlich voran. Als die beiden vor dem großen mit Eisen beschlagenem Tor standen, öffneten die Wachen dieses. Der prächtige Schmetterling setzt sich auf die rechte Schulter des Grafensohns.
Rudolfo zog den blutroten Stein aus seiner Tasche und hielt ihn fest umschlossen.

Viele Freier waren im Burghof versammelt. Es herrschte Gedränge und lautes Stimmengewirr. Doch wie vom Donner gerührt, starrten sie den Jüngling und seinen zauberhaften Gefährten an. Totenstill war es plötzlich. Rudolfo sprang von Pferd, ein Stallbursche führte dieses sogleich weg. Da erblickte Mistralda den wunderschönen Schmetterling. Mit einem Aufschrei stürzte sie herbei und blieb vor den beiden stehen. „Tötet ihn!“, brüllte sie gellend. Doch der Grafensohn sah sie ruhig und gefasst an, dann sagte er endlich: „Nein, meine schöne Dame, dies müsst Ihr selbst tun!“
Das makellose Gesicht der Fürstentochter verzerrte sich. Böse kreischend stampfte sie mit den Beinen.
Doch keiner der vielen Männer, ob alt, jung, vermögend, angesehen oder ärmlicher Natur, rührte einen Finger.
Einer nach dem anderen zog den Kopf ein und schlich fort. Dann riefen sie nach ihren Pferden und eilends verließen sie die Burg. Wer wollte schon mit einer Furie sein Leben teilen? Mag sie noch soviel Besitz und Gold ihr Eigen nennen. Als sein Eheweib wollte sie keiner heimführen. Nur die Eltern und das Gesinde blieben und schämten sich wegen ihrer Mordlust.
Weinend sank die junge Frau in den Staub und flüsterte: „Was soll ich nur tun, ich kann ihn nicht töten?“ Rudolfo hielt noch immer den Stein in seiner Hand und flüsterte die Zauberworte: „Hier wie dort, entfalt die Kraft der Liebe und schick sie fort, damit sie ewig bliebe!“
Plötzlich richtete sich Mistralda auf, klopfte den Staub aus ihren Kleidern und wischte die Tränen vom Gesicht. Dann strich sie über die Augen und blickte alle verwundert an, so als würde sie aus einem langen, bösen Albtraum erwachen. „Verzeih mir, du wunderschöner Falter, dass ich trachtete nach deinem Leben. Es tut mir leid. Ich weiß nicht, welch böser Zauber mich gefangen hielt. Bitte vergib mir, sag mir, wie kann ich dies wieder gut machen.“
Mit glockenheller Stimme begann der zauberhafte Gesell zu reden: „Sattle dein Pferd und bringe mich heil zu meiner Gefährtin zurück!“
So geschah es auch. In Windeseile wurde Mistraldas schwarzer Hengst gebracht. Sie saß auf und gemeinsam mit Rudolfo und dem Schmetterling ritt sie zu dem dichten Wald.

Zusammengerollt lag die Elfe Grimildo in ihrer Baumhöhle. Vor lauter Weinen war sie dort endlich eingeschlafen. Groß war ihr Kummer und voll Angst ihr Herz. Da erwachte sie, denn eine Stimme rief: „Komm Grimildo, beeile dich!“
Rasch kletterte sie vom Baum und voll Staunen erblickte sie die Fürstentochter. Auf ihrer ausgestreckten Hand saß der bunte Schmetterling. Dieser erhob er sich in die Lüfte und landete endlich in Grimildos Haaren. Die Elfe konnte es gar nicht fassen: Ihr bunter Freunde lebte! Voll Freude tanzte und hüpfte sie im Kreis. Die großen, schweigenden Bäume rückten auseinander. Das Blau des Himmels war zu sehen und die Sonnenstrahlen stürzten hernieder, gleich einem goldenen Wasserfall. Viele unzählige Schmetterlinge flatterten umher und umtanzten den großen, zauberhaften Falter. Jubelnde und singende Stimmen erfüllten den Wald und viele Elfen stürmten herbei.

All dies schauten Mistralda und Rudolfo mit Freuden. Der Grafensohn legte den Arm um die junge Frau, blickte ihr lange in die Augen und fragte endlich: „ Willst du meine über alles geliebte Gattin werden?“ Mistralda kuschelte sich in seinen Arm und flüsterte glücklich: „Oh ja, dies wäre wunderbar. Verzeih mir. Ich werde nie, nie …!“ Da schüttelte Rudolfo den Kopf und legte seine Finger auf ihren Mund und antwortete: „ Es wird alles gut. Ich weiß es!“ Dann wandte sich der Grafensohn an Grimildo und reichte ihr den blutroten Stein. „Nein“, abwehrend schüttelte diese den Kopf und sagte: „Behaltet ihn als Zeichen eurer Liebe, er wird euch ein Leben lang begleiten. Glück und Freude mögen bei euch beiden bleiben, auf immer.“
So geschah es auch, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Wicht Offline


Treue Seele



Beiträge: 1.533

26.03.2008 09:51
#3 RE: Zur Wahl - Geschichten-Sammelstelle Thread geschlossen

….von der “getauften“ Matsche

Meine liebe Mutter hatte schon als ich ein kleines Kind war ,die Auffassung ,das Salat eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Welt war ,so gab es diesen auch jeden Tag ,zu jedem Mittagessen. Oftmals versuchte ich damals zu protestieren argumentierte: „Irgendwann sterben noch alle Tiere aus ,wenn wir ihnen jeden Tag ihr Futter wegessen“ , doch es hatte keinen Zweck ,meine Mutter zeigte in dieser Hinsicht kein Erbarmen und hatte offensichtlich keine Angst vor dem Tiersterben.
Heute frage ich mich manchmal ,ob es an den vielen geballten Vitaminen lag ,das ich schon als Kleinkind ,so voll überschießender Energie ,so unstillbaren Tatendrang und Abenteuerlust ausgestattet war ,wer weiß?
Heute möchte ich eine Geschichte aus dieser Zeit erzählen:

Es war ein wunderschöner Sommer ,ich spielte fast jeden Tag draußen ,hinter unserem Haus ,mit einem kleinen Mädchen ,die mit ihren drei Jahren zwar schon recht spieltauglich war ,zudem meine allerbeste Freundin war ,aber auch oft sehr schwierig wurde ,wenn es darum ging ,ein Spiel auszusuchen.
Ich der wesentlich “ Ältere “ mit schon vier Jahren ,wollte heute einfach nicht mit ihren Puppen spielen und konnte sie überzeugen ,in unserem Sandkasten ein Prinzessinnenschloss zu bauen ,ich plante eigentlich eine Ritterburg diese würde ich auch bauen ,aber darauf hätte sie sich nie eingelassen .
Gesagt getan ,so saßen wir im Sandkasten mit unseren Bauuntersillen und stellten recht schnell fest ,das uns Wasser fehlte.
Wasser hätten wir von unseren Eltern bestimmt nicht bekommen ,und nur weil wir einen Nachmittag der vergangenen Tage in meinen Zimmer versucht hatten einen zauberhaften Strand mit Meer ,für ein paar Barbies ,zu kreieren .Eigentlich hatte das auch sehr gut geklappt wie wir fanden ,meine Mutter fand das glaube ich ,nicht so gut ich gebe zu man hätte vielleicht etwas weniger Sand auf dem Teppich ausschütten sollen ,und vielleicht war es auch nicht die beste Idee Mamas Fönhaube mit Wasser zu füllen ,in dem doch nur so ein kleines bisschen von dem blauen Lidschatten schwamm ,welches das Wasser blau färben sollte ,
aber es sah doch nun wirklich alles sehr identisch aus.
Nun wie gesagt ,mit dem Wasser ,wusste ich würde es schwierig werden .Da kam mir plötzlich die Idee .Ganz in der Nähe unseres Hauses war unsere schöne katholische Kirche ,ein großer alter Bau ,in dem der liebe Gott wohnt ,und ich war mir sicher ,der würde uns doch sicherlich gerne mit etwas Wasser aushelfen .So war ich kurze Zeit später in ihr und versuchte mühsam ,während meine kleine Freundin unsere Baustelle im Sandkasten bewachte , mit einer kleinen Plastikschaufel ,das Weihwasser am Eingang aus der keinen Mulde zu bekommen .Recht schnell stellte ich fest das dieses Wasser nicht reichen würde .So schritt ich eifrig auf dem Altar zu ,auf dem eine große Kanne mit Taufwasser stand .Nun ,es war gar nicht so einfach auf dem Altar zu klettern ,doch mit viel Mühe schaffte ich es dann doch ,und füllte voller Stolz meinen kleinen Eimer der mit etwas Sand am Boden gefüllt war .War ganz schön eng auf dem Altar ,kein Wunder ,das die Vase mit den Blumen ,das Kreuz und noch ein paar andere Sachen herunterfielen.
Woher auf einmal unser alter Pfarrer kam ,weiß ich nicht mehr ,doch mir wurde schnell klar das er versuchen würde mir meinen Schatz zu entwenden ,so rannte ich so schnell ich konnte quer durch die Kirche und dann nach Hause ,den alten Pfarrer auf den Fersen.
Gerade noch schaffte es ich ,das Wasser auf den schon vorbereiteten Hügel im Sandkasten ,in dem meine kleine Freundin ziemlich erschrocken dreinblickend wartend saß ,zu kippen ,bevor mich dann recht unfreundlich blickend und am Kragen packend ,der Pfarrer mich hinterherschleifend , zur Haustür brachte………
So richtig erinnern tue ich mich nicht mehr ,weiß nur noch das meine Mutter sich über den plötzlichen seligen Besuch unseres Herren Pfarrer nicht so wirklich freute….
Sie hat ,so erzählt sie ,danach ziemlich lange die Kirche geputzt ,
erinnere mich auch noch ,das das kleine Mädchen ganz schön sauer war ,das ich so plötzlich verhindert war ,ihr versprochenes Prinzessinnenschloss ,nachdem wir doch nun endlich Wasser hatten ,zuende zu bauen .
Habe danach nie wieder versucht Prinzessinnenschlösser ,schon gar nicht mit “getaufter Matsche “ , zu bauen .



©)by Frank Laser

Biggi Offline

Administratorin

Beiträge: 2.524

26.03.2008 11:23
#4 RE: Zur Wahl - Geschichten-Sammelstelle Thread geschlossen
Der Weg ist das Ziel

Dort steht sie oft – erfreut sich am Spiel des Windes, der dem Laub das Singen lehrt
und ihre Augen leuchten und strahlen mit der Sonne um die Wette.

Erst ein paar Wochen ist es her, da kam er.
Kein edler Prinz auf einem Ross wie man ihn aus Märchen kennt und doch – hat er sie
zum Leben erweckt, sie wach geküsst. Diese kleine Frau, die ihre Narben unter der Haut trug.

Lange Zeit hielt sie sich versteckt. Nutzlos und klein, kam sie sich vor. Jahrelang hatte
man ihr beigebracht, sie sei nichts Wert. Ihre Meinung war nicht gefragt, ihre Wünsche
wurden überhört und ihre Bedürfnisse verhöhnt. Stück für Stück schraubte man sie klein,
beraubte sie ihres Ichs. Eines Tages jedoch riss sie aus, aus dem goldenen Käfig, in dem
sie mit gestutzten Flügeln ausgeharrt hatte. Sie verlor auf der Flucht ihr Fleisch und Blut
und so begann ein langer Leidensweg. Wie oft verließ sie die Kraft, wie oft war sie gefallen
und wie oft verlor sie den Mut und den Glauben an das Recht.
Doch eines hatte sie gelernt – egal wie oft und egal wie tief man fällt. Niemals - niemals
darf man liegen bleiben und den Glauben an sich selbst verlieren, und so gelang es ihr,
immer wieder aufzustehen, auch wenn die Glieder noch so sehr schmerzten und die Wunden
höllisch brannten.
Aufstehen, weiter gehen, Schritt für Schritt.

Bald legte sie sich einen Mantel zu, den sie unter ihrer Kleidung trug. Er war aus Blei
und aller Schmerz den man ihr zufügen wollte, sollte daran abprallen. Ihr Herz und ihre
Seele legte sie auf Eis, so konnten sie nicht bluten. Eine gläserne Schicht bildete sich
darum - hauchdünn und sehr zerbrechlich. Niemand sollte es wissen, denn ihre Angst
die dünne Schickt könnte zersplittern, war zu groß.
Ihre Wunden heilten, brachen ab und zu erneut auf, doch sie verstand es, sie selbst
zu versorgen. Sie strich Musik auf die verletzten Stellen, badete in Rhythmen und
Klängen und hielt die Vernarbungen mit lyrischem Balsam geschmeidig, was ein zu
schnelles Aufreißen verhindern sollte und konnte. So nahm sie ihren Mut zusammen
und stellte sich wieder dem Leben. Unsicher und zaghaft zuerst, doch mit jedem Tag
den sie ihren Weg verfolgte, tat sie sich leichter.
Die kleine Frau suchte Ablenkung wo und wann immer es möglich war. Stille konnte sie
nicht ertragen und so begann sie viel zu lachen - wurde lauter, um die Ruhe um sich
herum zu übertönen, so gut es ging. Sie fixierte ihr gebrochenes Rückgrad mit einem
dicken Stab aus Humor, den sie sich trotz allem, immer versucht hatte, zu bewahren.
Mit jedem Monat, mit jedem Jahr, fühlte sie sich stärker, denn sie spürte ihren
Fixateur und wusste, dass sie sich auf ihn verlassen konnte - dass er ihr unerträgliche
Stille überdecken und den Rücken gerade halten würde.

Bis „Er“ dann kam…..
Schweigend sah er in ihre Augen….
Wortlos nahm er ihre Hand und begleitete sie auf ihrem Weg. Er erahnte ihr fixiertes
Rückgrad und er hörte ihr gezwungenes Lachen. Er erspähte ihren Bleimantel und er sah
die gläserne Hülle, die sie um Herz und Seele gelegt hatte.
Wochenlang ging er neben ihr her und redete nur, wenn es wichtig war und Sinn machte.
Er lehrte sie, ihre eigene Meinung zu haben und sie auch zu äußern. Er gab ihr die
Gewissheit wichtig zu sein und er zeigte ihr, dass sie einen Platz auf der Welt hatte,
der nur ihr ganz allein gehörte, der nur für sie bestimmt war und den sie nutzen konnte,
wie auch immer sie es für richtig hielt.
Selbst Entscheidungen zu treffen und dazu zu stehen, auch das beherrschte sie durch seine
Hilfestellung nach kurzer Zeit nahezu perfekt. Er lehrte sie, die Vergangenheit mit dem
Staub des Vergessens zu bedecken und sich auf Morgen zu konzentrieren. Der Stab ihn
ihrem Rücken, der sie zuvor gestützt hatte, löste sich mit jedem Tag den sie Seite
an Seite gingen, langsam in Luft auf. Der bleierne Mantel rutschte ihr zaghaft, aber
stetig von den Schultern und ihr Lachen erklang in neuem Ton. Sie konnte wieder
aufrecht gehen.
Ihre Augen hatten oft geregnet, in den letzten Wochen. Er sagte, es wäre das Wasser ihrer
auftauenden Seele und eines Tages würde die Seele wieder leuchten und das Leuchten würde
sich dann in ihren Augen widerspiegeln.

Nun steht sie dort… erfreut sich am Wind, ihre Augen leuchten und strahlen mit
der Sonne um die Wette, und sie flüstert stumm:
„Danke NOCONA… Danke Bruder…“

Ihre Gedanken flogen weiter. Hin, zu ihrem Liebsten.
Fast zeitgleich war er in ihr Leben getreten, wurde ihr Freund, dem sie vom ersten
Moment an erstaunlich viel Vertrauen entgegenbrachte. Er schätze sie, er würdigte
sie und auch er gab ihr, genau wie NOCONA das Gefühl, wichtig und wertvoll zu sein.
Er lud sie ein, am Leben teilzuhaben und sie ließ es zu. Er bereitete ihr wunderschöne
Stunden und zeigte ihr, wie schön das Leben sein kann, wenn man sich nicht davor
verschließt und… wenn man einen Menschen hat, mit dem man diese schönen Momente
teilen kann.
Dieser wundervolle Mensch brachte der kleinen Frau ihr natürliches Lachen wieder
vollständig zurück. Er war so sensibel und feinfühlig, konnte sich an den gleichen
Dinge erfreuen wie sie auch. Ihm waren kleine Glücksmomente und Werte wichtig – so
auch ihre Werte. Er genoss nicht ihre Hülle, sondern ihr ICH. Und sie genoss seine
Nähe sehr und fühlte sich unglaublich wohl in seiner Gegenwart. Diese wohltuende Ruhe
die er ausstrahlte, bei allem was er tat.
Ruhe, die sie inzwischen gelernt hatte, wieder zu genießen. Ruhe, vor der sie nicht mehr
davon lief – er machte es ihr leicht. Bei ihm durfte sie der Mensch sein, der sie war.
Sie musste sich nicht verbiegen um ihm zu gefallen, oh nein – sie durfte einfach sein.
Mal still und leise, mal fröhlich und vergnügt, mal verträumt oder auch mal albern.

Er verstand es, ihr Leben wieder bunt zu malen. Sie mochte ihn wirklich sehr, ihren
neuen Freund. Ja, und eines Abends, als sie auf einer Anhöhe standen um dem
Sonnenuntergang zuzusehen, da spürte sie ganz deutlich was sie längst ahnte, seither
jedoch verdrängt hatte – nicht glauben und sich nicht eingestehen wollte.
Doch nun wusste sie es genau. Sie spürte allzu deutlich dieses Knistern, das in der
Abendluft lag. Wie gern hätte sie sich jetzt an ihn geschmiegt, wie gern wenigstens
seine Hand gehalten, ihn einfach berührt und gespürt. Sie machte allerdings keinerlei
Anstalten – traute sich nicht, ihrem Bedürfnis nachzugeben und so saugte sie dieses
Naturschauspiel und diesen Rausch von überschäumendem Herzgefühl, sehr intensiv in
sich auf.
Nein, es war nicht nur diese herrliche Aussicht im Abendlicht, die ihre Augen feucht
werden ließ, sondern auch die Gewissheit, sich in diesen wundervollen Menschen, der da
in ihrer unmittelbarer Nähe stand, verliebt zu haben.
Schweigend schien auch Er diesen besonderen Moment zu spüren. So standen sie stumm.
Eingehüllt in heimliche Gefühle und berührt von der Sanftheit der Natur.

Jede Minute die sie in seiner Gegenwart verbringen durfte, ließ sie mehr und mehr
erkennen, wie sehr sie diesen Menschen liebte. Ihre Augen hatten vor Glück oft
geregnet, in den letzten Wochen - sie wusste, es war das Wasser ihres auftauenden
Herzens.
Als er sie dann eines Abends unter einem wundervollen Sternenhimmel zum ersten Mal
in seine Arme nahm und ihr seine Liebe gestand, da wusste sie: jetzt war sie „angekommen“.
Nie hatte sie tiefer empfunden, als für ihn. Sich nie geborgener und wohler gefühlt,
als in seiner Nähe. Nie zuvor kannte sie einen Menschen, der sie so bedingungslos
liebte, und dem sie all ihre Liebe schenken wollte und durfte.
Eng schmiegte sie sich an ihn und der erste, zärtliche Kuss sollte diese tiefe,
innige Liebe besiegeln.

Nun stehen sie dort… lauschen dem Wind, ihre Augen leuchten und strahlen mit der Sonne
um die Wette, und beide flüstern:
„Ich liebe Dich so sehr…. halt’ mich fest… für immer…“


© Birgit Lüers
Gram Offline


Profi



Beiträge: 301

27.03.2008 12:30
#5 RE: Zur Wahl - Geschichten-Sammelstelle Thread geschlossen
Main Abenteuer

Ganz gewiss war er kein Mensch, nicht besser oder schlechter,
nur sicherlich kein Menschenkind. Ich hingegen schon,
das liesse sich nicht leugnen. Doch er war in mir drin und ist es
auch noch immer. Wird es jemals enden? Was wird noch geschehen?
Ich lass mich überraschen. Er steuert mich ja nicht.
Er lenkt nur oft zur rechten Zeit, den Rest meiner Instinkte
in unerahnte Richtungen in unbekannt Terrain.

So trug es sich auch neulich zu, als ich die grosse Stadt besuchte,
wo die Hessen heimisch sind. Ich wusste, ich würde versuchen,
mir illegal Medikamente in der Bahnhofsgegend zu kaufen,
hatte jedoch keinen Plan, wie immer.

Wir tauschten dann die Rollen und ihm war offensichtlich ganz danach,
für knapp 3 Stunden in die Rolle eines Frankfurter Strassenjunkies
zu schlüpfen.
Es sollte allerdings nur klappen, wenn wir uns der begleitenden
Gesellschaft entledigten und still dem Ruf der Grossstadt folgten.
Und schon biss einer an:
"Do you speak English?", fragte uns der arme Tropf, dessen Pupillen
kleiner waren, als handelsübliche Stecknadelköpfe. "Yes, a little",
sprach mein Mund. Er wollte etwas Geld, angeblich für den Zug.
"I'll give you 10 € if you know something about Buprenorphine",
entgegnete ich ihm. Da sprach er pötzlich Deutsch:
"Ich schnorre nur auf Englisch, bringt erfahrungsgemäss mehr ein.
Muss es denn unbedingt Subutex sein?". Natürlich war ich deshalb hier,
doch würde sich meine Gier auch mit geringer potenten Rauschmitteln
befriedigen lassen. So ging ich mit ihm mit. Mitten in den grauen Dschungel,
dessen einziges Farbspiel durch die Leuchtreklamen der Rotlichtetablisments
definiert wurde.

Wir verstanden uns super, doch kristallisierte sich alsbald Gewissheit aus
den bruchstückhaften Informationen der Mainhattener Creme de la Creme der
cracksüchtigen Fixer Deutschlands heraus. Es gibt nur Crack und Heroin.
Nichtmal Rohypnol. Nach ungefähr 2 Stunden und 200 Crackangeboten,
lies ich mich doch tatsächlich dazu überreden, einen Stein für 20 €,
allerfeinste Ware zu erwerben und zu rauchen.
Es hatte etwas fremdartiges für einen Bayern wie mich an sich,
als Bedienstete des Ordnungsamtes uns dabei beobachteten,
wie wir an der Ecke eines Ladens standen, um den amoniaklastigen
Rauch des Crackcocains zu inhalieren und keine Reaktion zeigten.
Mein kleiner asozialer Junkiefreund sagte nur, das sei hier ganz normal.
Die könnten sich nicht um jeden kümmern, so wie in München.

Der Rausch des Crack war viel zu kurz, allerdings nicht wenig effektiv.
Nichtsdestotrotz blieb es mir ein arges Rätsel, wie man nur sein Leben
an so eine Droge verschwenden kann.

Kaum war die Wirkung verflogen, fand ich mich mit 2 Junkies an einer
Strassenbahnhaltestelle wieder. Von dort aus ging der eine mit unserem
Geld zu seinem Dealer. Wir warteten nicht lange und er kam breit grinsend
mit mehreren Blomben astreinem Heroin zurück. Nichts wie in die Strassenbahn!
Ich fragte dort die andern beiden, ob es evtl.möglich sei, gleich in der
Bahn mit einer zusammengerollten Dollarnote eine Nase voll aus einem Päckchen
zu schniefen. Sie lachten und meinten: "Klar, wir fixen hier drin!",
da musste ich natürlich auch lachen.

Wieder am Hauptbahnhof angelangt, bedankte ich mich noch für den glatten Deal
und tat meine Bewunderung kund, dass man hier allerbeste Ware für 25 € pro Gramm
bekommen kann. Ich meinte, bei mir in der Heimat, muss ich das Vierfache für ein
Gramm Heroin hinblättern und der Stoff ist nichtmal halb so gut.

Ich verabschiedete mich von den kleinkriminellen Fixern und in der selben Sekunde
noch verabschiedete sich er aus seiner Rolle, die ihm wohl nur kurz gefiel.
Ich nahm den Stoff mit nach Hause, machte mir 3 schöne Tage und nahm seitdem
nie wieder Heroin.

IN VINO CARITAS

Sonja Rabaza Offline


Hausfreund/in



Beiträge: 477

27.03.2008 17:41
#6 RE: Zur Wahl - Geschichten-Sammelstelle Thread geschlossen

Rufmord

Fassunglos schaute er auf das Schreiben in seinen Händen. Er konnte nicht begreifen, was er da gerade gelesen hatte. Noch einmal versuchte er mit zitternden Händen den Brief durchzulesen, der vor einigen Minuten per Einschreiben mit Rücksendeschein, mit dem Postboten gebracht wurde.
Von sexuellem Missbrauch war hier die Rede ! Es betraf seine kleine vierjährige Tochter, für die er bisher vergeblich versucht hatte das Mitsorgerecht zu bekommen. Was hatte das zu bedeuten?

Seit der Trennung von Nicole vor einem dreiviertel Jahr wurde der Streit um die gemeinsame Tochter Elena, immer heftiger. Nicole versuchte mit allen Mitteln das alleinige Sorgerecht - da sie nicht verheiratet waren, wurde es ihr bei der Geburt von Elena automatisch zugesprochen - zu behalten und ihn als schlechten Vater darzustellen. Seine Besuchswochenenden wurden von ihr immer öfters boykottiert – entweder war Elena krank oder sie schlief gerade, oder - wie in letzter Zeit immer häufiger - ließ Nicole ihm mitteilen, dass Elena Angst vor ihm habe und nicht zu ihm wolle.

Er musste sich einen Anwalt nehmen, da er so nicht weiterkam. Und so gingen jetzt die bitterbösen Briefe hin und her und er war erschrocken, welch ein Ausmaß alles genommen hatte. Wie viel Hass schlug ihm in jedem Brief entgegen.

Er vermisste seine kleine Tochter. Er hatte in seiner kleinen Wohnung ein Zimmer liebevoll für sie eingerichtet. Es war ein schöner heller Raum, mit einem großem Fenster, das viel Sonnenlicht herein ließ. Die Wände hatte er in weiß und rosa gestrichen und im unteren Bereich hatte er einige kleine Zwerge gemalt, mit roten Zipfelmützchen. Die helle Lampe an der Decke war wie ein Kronleuchter gearbeitet; im Licht spiegelte sich das am Leuchter hängenden Glas in vielen bunten Farben. Das weiße Bettchen mit seinem rosa Baldachin und der wunderschönen rosa Bettwäsche, mit kleinen und großen Herzen, wartete auf sie. Sie hatte erst einige Male hier übernachtet und er sah in Gedanken ihren Wuschelkopf zwischen den Kissen. Ein großer Plüschbär mit ganz flauschigem Fell und braunen Knopfaugen saß einsam auf den vielen rosa roten Kissen. Er wollte ihr doch nur nahe sein, für sie sorgen und sie begleiten auf ihrem Lebensweg.

Nicole hatte inzwischen wieder einen neuen Partner und wollte mit Elena zu ihm nach Berlin ziehen. Ihm war klar, dass er ihr jetzt im Wege war. Am liebsten würde sie jeglichen Kontakt zu ihm abbrechen; sein vierzehntägiger Umgang mit Elena war ihr lästig. Ihr Wunsch war, dass Elena in der neuen Verbindung ihr Zuhause finden würde und ihren Papa vergessen sollte. Was sie damit ihm und der gemeinsamen Tochter antat, war ihr entweder nicht bewusst oder es war ihr egal.

Er spürte seinen lauten und unregelmäßigen Herzschlag. In seinem Kopf und den Schläfen rauschte das Blut und ein Schwindelanfall ließ ihn sich schnell auf einen Stuhl setzen. Noch einmal blickte er auf das Schreiben, dass ihn so aus der Fassung brachte.

Ihm wurde vorgeworfen seine vierjährige Tochter Elena sexuell missbraucht zu haben. Man berief sich auf § 176 des StGB. Die Staatsanwaltschaft wäre informiert und würde ein Strafverfahren gegen ihn einleiten.

Was ging hier vor, fragte er sich mit schmerzendem Kopf. Er erinnerte sich, dass Frau Schäfer, seine Nachbarin, heute morgen nur sehr kurz auf seinen Morgengruß geantwortet hatte. Schnell blickte sie in die andere Richtung und ging schnell an ihm vorbei, um nur ja nicht in ein Gespräch mit ihm verwickelt zu werden. Das wunderte ihn schon, vor allem, da Frau Schäfer immer nur all zu gerne zu einem Plausch bereit war. Sie war über alle Hausbewohner immer bestens informiert und Neuigkeiten wurden durch sie schnell verbreitet.

Aber auch am Arbeitsplatz waren ihm heute im Laufe des Tages einige Dinge aufgefallen, über die er sich doch arg gewundert hatte, ihnen aber bis jetzt keine Bedeutung geben konnte.

Er erinnerte sich an Frau Ritter, die sich aufgeregt mit der Sekretärin seines Abteilungsleiters unterhalten hatte. Als er beide freundlich grüßte, blickten sie ihn erschrocken an und Frau Ritter verließ beinahe fluchtartig mit hochrotem Kopf den Raum. Lächelnd, mit hochgezogenen Augenbrauen blickte er ihr nach und dachte bei sich, na was hatte sie denn wohl zu erzählen gehabt ? Aber auch Erich, mit dem er seit zwei Jahren das Büro teilte, wich seinem Blick oft aus und war den ganzen Tag ziemlich einsilbrig. Hatte das hiermit was zu tun, fragte er sich ?

Das Läuten des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken. Er griff nach dem Hörer und meldete sich mit seinem Namen. Die Stimme an seinem Ohr klang schrill und unangenehm laut und die Worte, die er vernahm, waren hart und hasserfüllt. „Du Schwein, Du mieses Schwein! Dich an kleine Mädchen zu vergreifen, man sollte Dich kastrieren und im Knast verrotten lassen !“ Dann wurde aufgelegt und der Ton der Amtsleitung schwoll zu einem Dröhnen in seinem Kopf heran.
Er saß ganz still, wie versteinert und war nicht in der Lage sich zu rühren. Was ging hier vor ? Das war kein übler Scherz. Er fühlte, wie das Entsetzen in ihm hoch kroch und ihn lähmte.

Das Klingeln an der Wohnungstür ließ ihn zusammenzucken. Schwerfällig stand er auf und öffnete sie vorsichtig. Das Flurlicht brannte aber niemand war zu sehen. Auf dem Fußboden lag ein Briefumschlag, den er an sich nahm. Er riss das Kuvert auf und las das Schreiben, das an ihn gerichtet war. „ Dieses ist ein ehrenwertes Haus ! Wir möchten nicht Tür an Tür mit einem Kinderschänder leben ! Verschwinden Sie von hier, Sie sind hier nicht mehr erwünscht ! „
Immer wieder starrte er auf das Schreiben, bis die Buchstaben zu tanzen anfingen und verschwammen. Tränen traten in seine Augen. Was wurde hier für ein gemeines und hinterhältiges Spiel mit ihm getrieben. Er hatte doch nichts Schlimmes getan ! Wer hatte denn nur so einen Blödsinn in die Welt gesetzt ?

Wieder läutete das Telefon und er zuckte erschreckt zusammen. Zögernd nahm er den Hörer ab und bevor er seinen Namen sagen konnte, hörte er wieder diese schreckliche Stimme, die ihn beschimpfte und bedrohte. „Aber so hören Sie doch, was reden Sie denn da für einen Unsinn ?“ versuchte er sich zu verteidigen. Doch der Anrufer ließ sich davon nicht beeindrucken. „Ich werde dafür sorgen, dass die ganze Stadt über Dich Bescheid weiß ! Auch Dein Chef ist über Dich im Bilde und Deine Entlassung ist nur noch eine Frage der Zeit ! Die
Zeitungen werden über Dich und Deine Schandtaten berichten und so wird die ganze Welt erfahren, was für ein ekelhaftes Schwein Du bist !“ „Aber“ ... seine Worte erreichten den Anrufer nicht mehr; er hatte aufgelegt.

Aufgeregt legte er den Hörer auf die Gabel. Er fühlte Panik in sich aufsteigen; was sollte er nur tun ? Steckte Nicole dahinter ? Wie sollte er so ein Gerücht aus der Welt schaffen; wie beweisen, dass er unschuldig war? Kein Mensch würde ihm glauben ! Sein Ruf war für immer ruiniert !

Der Schmerz, der sich mit starkem Druck in seiner Brust ausbreitete, ließ ihn keuchend auf den Boden fallen. Er spürte die eiserne Faust, die sein Herz zusammendrückte und ihm den Atem nahm. „Elena“ stammelte er, „meine Kleine, es tut mir so leid.“

Aus weiter Ferne drang noch das Schrillen des Telefons in sein immer schwächer werdendes Bewusstsein und fast erleichtert, machte er seinen letzten Atemzug.

Sonja Rabaza

Mit unserem Dasein versuchen die Welt ein wenig
besser zu machen

yecismum Offline


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29.03.2008 00:41
#7 RE: Zur Wahl - Geschichten-Sammelstelle Thread geschlossen

Befreiung


Inmitten weit ausgedehnter Buchen - Eichen - und Fichtenwälder, erhebt sich ein
etwa 150 Hektar großes Gebiet direkt aus der Ebene nördlich von Weimar.
Ungefähr acht Kilometer von der deutschen Kultur-Kultstadt, in welcher Goethe,
Schiller, Herder und andere Berühmtheiten, gelebt , gewirkt und ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, starben andere Menschen auf grauenvolle Art.

Hier findet man ein Mahnmal von entsetzlicher Bedeutung : Die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald.

Vor acht Jahren waren wir dort: Mein Mann. unsere damals erst 9-jährigeTochter und ich. "Willst du das tatsächlich sehen?" hatten wir sie gefragt:" Das wird kein Spaziergang, es ist sicher sogar für uns sehr hart", hatte mein Mann unsere Kleine gewarnt. "Doch, ich will das jetzt ganz genau wissen!
Ihr wisst doch, dass wir gerade im Unterricht darüber sprechen und ihr habt mir auch schon oft aus dieser Zeit erzählt. Wenn damals solche Verbrechen geschehen sind und unschuldige Menschen leiden mussten, müssen wir da unbedingt durch, weil wir erst dann ein bisschen nachempfinden können, was da wirklich passiert ist!" So erklärte unsere kluge , kleine Tochter uns ihre Beweggründe.

Gerade noch hatten wir vor den mit rotem Samt gedeckten Särgen von Schiller und Goethe in der Fürstengruft gestanden, nun saßen wir in einem ziemlich alten, klappernden Bus und fuhren über Straßen, die mehr Schlaglöcher als Asphalt hatten. Links und rechts säumte herrlicher Mischwald die Straße, Nadelbäume und viele Buchen. Leider trotzdem nichts für Natur begeisterte Wanderer: TRUPPENÜBUNGSGELÄNDE, LEBENSGEFAHR! las man auf großen Warnschildern.
Die Stimmung im Auto so trübe, wie der Nebel draußen. Das Geplauder zu Fahrtbeginn war fast verstummt. Ab und zu drangen ein paar englische Wortfetzen zu uns herüber. " Hast du schon gesehen, Mama? Da sind wieder dieser Mann und das nette Mädchen aus unserem Hotel!" Beachtung fordernd stupste Anyeca mir ihren Ellenbogen in die Rippen. Ungeniert starrte sie die beiden an. Geistesabwesend murmelte ich so etwas wie:" Lass das, Schätzchen, das gehört sich nicht!" Recht hatte es trotzdem, unser aufmerksames Mädchen! Es war schon seltsam, wie uns dieses ungleiche Paar bisher über den Weg gelaufen war: Zuerst hatten wir sie auf dem Bahnhof Weimar gesehen, wohnten im selben Hotel, trafen uns dort beim Frühstück, zum Mittagessen begegneten wir uns in einem der zahlreichen , gemütlichen Restaurants. Sie hatten zur gleichen Zeit die Fürstengruft besichtigt und nun saßen sie hier neben uns in diesem Vehikel. Der weißbärtige alte Herr mit den markanten Gesichtszügen wirkte äußerst angespannt. Halb vornübergebeugt starrte er aus dem Fenster in den Nebel. Mir war, als wolle er mühsam Ruhe bewahren. Seine etwa 20-jährige Begleiterin sprach liebevoll auf ihn ein.

Draußen wurde es immer nebliger, und als wir auf dem Ettersberg angekommen waren erkannten wir gerade noch schemenhaft einige Gebäude auf der anderen Straßenseite. Unsere Gruppe verließ den Bus und zögernd bewegten wir uns in Richtung Eingang.
Ein schmiedeeisernes, schwarzes Tor mit der sarkastischen Aufschrift: "JEDEM DAS SEINE", war einen Spalt weit geöffnet. Angewidert schob ich es mit dem Fuß auf. Wir betraten das Gelände und - wie ein Keulenschlag traf uns eisige Kälte, als befänden wir uns in einer anderen Welt! Blitzartig war der Nebel so dicht geworden, dass wir wie von grauweißen Wänden umschlossen waren.

Anyeca und ich schauderten. Schützend legte mein Mann seine Arme um uns beide. Gemeinsam liefen wir drei gegen die kalten, feuchten Schwaden, durchdrangen sie, nur um auf die nächste wabernde Mauer zuzulaufen. "Noch können wir zurück. Wollt ihr nicht lieber gehen?" Besorgt sah mein Mann uns an. "Nein!" fest entschlossen kämpften wir uns voran. Immer beklommener wurde mir zumute. .Es war, als stürzten urplötzlich abgrundtiefe Verzweiflung, durchlittene Ängste, unaussprechliche Qualen, grenzenlose Traurigkeit aber auch unbändige Wut auf mich ein! Alles Elend derer, denen man das Recht auf Leben erbarmungslos aberkannt hatte, legte sich auf meine Seele, wie die Totenklage der schuldlos Verurteilten. Fassungslos sah ich, schmerzhaft fühlte ich mit ihnen. Oh mein Gott, wo warst du, wo bist du?

Vorbei an den riesigen Öfen in einem Kellerraum, vorbei an der Leichenrutsche, die in den sogenannten "Entsorgungskeller" führt, durch eine noch bestehende Gefangenenbaracke. Wie ein Voyeur kam ich mir vor, beim Blick in die engen Zellen, in die gerade diese schmalen Holzpritschen passen. An einem der kleinen Fenster meinte ich einen leblosen Körper hängen zu sehen. Dann las ich über diesen barbarischen Wärter Martin Sommer, dem es gelungen war, Gefangene auf diese Art in den Tod zu hetzen.
Anyeca ging ungewohnt still, mit ernsthaft gefasstem Gesichtchen, zwischen ihrem Vater und mir. Ganz fest hielt sie unsere Hände. "Hörst du sie weinen, Mama?" fragte das Kind. Erstaunlich behutsam klang das, so als wollte das blutjunge Mädchen mich schützen. Dann aber brach es aus unserer Tochter heraus: "Was haben die bloß getan! Waren das Menschen? Warum hat ihnen das niemand verboten? Das muss ich erzählen, das müssen w i r erzählen, damit alle erfahren, was Hass anrichten kann. So was darf doch nie wieder passieren!"

Vor dem Baracke stand eine Frau. Das Gesicht abgewendet, etwas gebeugt, mit zuckenden Schultern stand sie da. Wie gern hätte ich sie umarmt, mit ihr geweint. Irgendetwas hemmte mich. Manchmal müssen Menschen wohl allein sein, damit sie ihr Leid vor Gott tragen können. In der ärgsten Betrübnis lässt sich unser gemeinsamer Vater zuweilen eher finden, ich habe das selbst erfahren. Dann trocknet Er die Tränen seiner Kinder, richtet sie auf und gewährt ihnen Zuflucht. Ehe wir gingen, drehte ich mich noch einmal um. Unvermittelt fiel mein Blick auf eine Beschriftung, angebracht neben dem Eingang zu dieser fuchtbaren Baracke, in der der berüchtigte Dr. Eisele seine grausamen "Medizinischen Experimente" durchgeführt hatte.

Davor standen die zwei, uns mittlerweile so vertraut vorkommenden Menschen. "Von guten Mächten wunderbar geborgen" las die junge Frau den Text von Dietrich Bonhoeffer. .Ihr Begleiter wandte sich uns zu und winkte uns freundlich zu sich heran: "Das ist kein Zufall mehr, dass wir uns immer wieder begegnen! Gott will uns etwas sagen, nicht wahr?" fragte er mit starkem amerikanischem Akzent. Merkwürdig erleichtert stimmte ich ihm zu.
Nun erfuhren wir, dass David aus Houston in Texas, seine deutsche Enkelin in Kassel besuchte um gemeinsam mit ihr diesen Ort hier aufzusuchen. fast seine ganze Familie wurde in deutschen KZ´s vernichtet, ein Onkel starb hier in Buchenwald. Ich fühlte mich hilflos und bedrückt. Meinem Mann ging es wohl ähnlich, er wirkte gehemmt und befangen.

David lächelte uns verstehend an :" Ihr müsst euch nicht schämen!" erklärte er. "Ich ahne, wie euch zumute ist, bitte macht euch klar, dass nicht ihr Schuld habt, an dem Geschehen damals. Nicht das ganze deutsche Volk ist verantwortlich daran und ihr drei schon gar nicht. Diese unselige Zeit hat nichts mit der heutigen Generation zu tun, nicht einmal mit euren Eltern. Man kann kein ganzes Volk verurteilen, wegen der Verbrechen die ein Teil davon begangen hat." Ich atmete wie befreit auf: " David, wir danken Ihnen. Trotzdem wird ein Teil Mitverantwortung bleiben. Sehen Sie, das hat sogar unsere kleine Tochter bemerkt! " Anyeca sah dem alten Herrn direkt in die Augen: " Wir werden immer wieder darüber reden, was wir hier gesehen und erlebt haben, das verspreche ich Ihnen. Damit nie wieder etwas so Schreckliches in Deutschland geschieht!" Ernsthaft streckte das Kind dem Amerikaner eine kleine Hand entgegen. Ergriffen nahm er sie in beide Hände: "Das ist ein sehr großer Trost für mich, Anyeca!" antwortete David. Wir alle konnten unsere Rührung nicht verbergen und Simone, Davids Enkelin, schluchzte tief auf. Auch mir rollten Tränen über die Wangen." Ich glaube nicht, dass wir vergessen sollten, doch Schuldige zu finden, müssen wir nun endlich Gott überlassen. Ich weiß, dass unser Herr hier ist und auch damals bei seinem gepeinigten Volk war.!" David zog einen vergilbten Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts:" Ich trage ihn an meinem Herzen. Das ist ein letztes Lebewohl meines Onkels, der in Buchenwald umgekommen ist. Nimm und lies!" Und ich nahm das etwas zerknitterte, gelblich verfärbte Papier wie ein Sakrament voll Ehrfurcht an, reichte es meinem Mann, der uns laut und deutlich die Worte vorlas, die wie ein Vermächtnis klangen: "Viel später werdet ihr erfahren, was hier geschehen ist. Dann werdet ihr voller Bitterkeit die Existenz des Allmächtigen anzweifeln, wie viele von uns das jetzt tun. Ich versichere euch aber: ER hat nie die verlassen, die an IHN glaubten.!"

Als wir Weimar verließen, hatten wir Freunde gewonnen. Freunde, durch die wir die Stimme Gottes gehört hatten.

Copyright by R.-Kristin Schmidt-Rosendahl


Die Hautfarbe ist nebensächlich- das Herz ist immer dunkelrot!

Heike Offline




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29.03.2008 09:17
#8 RE: Zur Wahl - Geschichten-Sammelstelle Thread geschlossen

Ein Tag wie immer?!

Heute war wieder einer dieser Tage, wo eigentlich alles so war, wie immer. Sie kannte den Weg bereits auswendig. Aus ihrem Zimmer, den langen Flur entlang, ging sie an vielen anderen Zimmern vorbei.
In einer dieser Räume wohnte sie selber.
Als ihr Mann vor 5 Jahren starb, meinte die Familie, sie wäre dort besser
„aufgehoben“. Mittlerweile hatte sie sich an alles gewöhnt.
Das Alleinsein war zu Anfang sehr schwierig. Er fehlte ihr sehr. Mit ihm konnte sie reden.
Er war immer da, wenn sie jemanden brauchte.

Hier in diesem „Seniorenwohnheim“, wie es alle ganz vorsichtig nannten, gab es nur sehr wenige, denen sie sich anvertrauen konnte. Eigentlich war sie auch eher zum Einzelgänger geworden.
Diese vielen Menschen waren doch nichts für sie.
Sie wollte nicht immer nur fernsehen oder Canasta spielen. Viele saßen einfach nur da.
Sie bekamen viel Besuch von ihren Angehörigen. Das war der einzige Punkt, worum sie sie beneidete.
Na ja, dafür ging sie viel spazieren. Jeden Tag ging sie in den Park.
So auch heute.

Es war Frühling und die Sonne blinzelte durch die Äste, um die ersten Frühlingsblumen zum Blühen zu bringen.
Es war ein schöner Park. Er hatte viele breite Gehwege, einen herrlich gelegenen See und viele alte Bäume, die eine eigene Geschichte erzählten.
Dieser Park war ihr sehr vertraut. Wie oft hatte sie hier gesessen und nachgedacht. Sie hatte eine Lieblingsbank. Sie stand vor einer dicken, knorrigen Eiche. Der Stamm hatte im unteren Bereich ein großes Loch und direkt davor stand „ihre“ Bank.
Es mag seltsam klingen, doch ihr schien, als würd’ ihr dieser Baum, durch dieses Loch seine „Energie“ weitergeben. Es war ein unsichtbarer Strahl, der sich warm und weich durch ihren Körper schlängelte und sie von innen aufhellte.

Es war ein herrliches Gefühl und sie schloss ihre Augen, um sich ganz mit diesem Gefühl zu verbinden.
Nach einer Weile bemerkte sie, dass ihr kälter wurde und sie öffnete ihre Augen. Vor ihr stand ein junger Mann, der ihr das Licht der Sonne nahm.
„Hallo!“ sagte er und vergrub verlegen seine Hände in den Taschen.
„Ich heiße Jürgen und beobachte Sie schon eine ganze Weile.“
„Guten Tag!“ antwortete die alte Dame, „ich heiße Maria und darf ich fragen, warum Sie das tun?!“
„Hätten Sie was dagegen, wenn ich mich ein wenig zu Ihnen setze?“ fragte er vorsichtig.
„Bitte!“ sagte Maria und wies mit der Hand auf dem Platz neben sich.
Der junge Mann setze sich zu ihr und Maria fühlte sofort wieder die wärmenden Sonnenstrahlen.
So saßen sie eine kurze Zeit, ohne dass Jemand sprach. Jeder genoss die Anwesenheit des Anderen.
„Besuchen Sie hier jemanden?“ fragte sie ihn und blickte ihn von der Seite an.
„Nein!“ entgegnete er, „ich gehe hier öfter spazieren und Sie sind mir schon eine ganze Weile aufgefallen. Ich hatte nur nie den Mut, Sie anzusprechen!“
„So, so!“ antwortete Maria und richtete ihren Blick wieder auf den Gehweg. Es waren ja doch noch einige Leute unterwegs.
„Sie haben mich also schon etwas länger beobachtet und warum hatten Sie ausgerechnet heute den Mut mich anzusprechen?“
Der junge Mann fingerte verlegen an dem Reißverschluss seiner Jacke, bevor er sie ansah und sagte: „ Sie erinnern mich an meine Großmutter. Sie wäre heute 83 Jahre alt geworden!“
„Das tut mir leid!“ sagte die Dame. Ihre Stimme klang nun etwas weicher.
„Wie lange ist sie denn schon tot?“
„Sie ist vor einem ½ Jahr gestorben, sagte der junge Mann mit leiser Stimme „und sie wohnte auch hier!
Meine Oma war eine ganz tolle Frau. Trotz ihrer Behinderung, sie hatte Kinderlähmung, meisterte sie alles und sie ließ sich niemals unterkriegen!“

Der junge Mann erzählte weiterhin begeistert von seiner Großmutter und die alte Dame richtete nun die Aufmerksamkeit ganz auf seine Person.
Er war bestimmt ein großartiger Enkelsohn und seine Großmutter hatte sich glücklich geschätzt, dass sie ihn hatte, dachte Maria für sich und lauschte weiterhin seinen Worten.
„Wir sind oft spazieren gegangen. Ich habe sie mit dem Rollstuhl gefahren und sie hat mir alte Geschichten von früher erzählt. Es war nicht immer leicht für sie. Die Kriegszeit, Sie wissen schon.
Manchmal hat sie auch Geschichten erfunden, um mich einfach nur zum Lachen zu bringen.“
Der junge Mann bekam leuchtende Augen, als er von seiner Großmutter erzählte und Maria brauchte nur ab und zu mit dem Kopf zu nicken. Für ihn ein Zeichen, dass sie ihm noch zuhörte.

Nach einiger Zeit, war auch die Sonne weg und es dämmerte leicht, als die alte Dame ihn vorsichtig unterbrach und sagte: „Es ist schön, dich kennen gelernt zu haben, doch man wartet mit dem Abendessen.“
„Kann ich Sie morgen wieder sehen?“ fragte er zögernd und nahm die Hand der alten Dame in seine beiden Hände.
„Es hat mir sehr gut getan, mit Ihnen zu reden und gerade an dem heutigen Tag!“ setzte der junge Mann hinzu und half der alten Dame von „ihrer“ Bank.
„Ich bin jeden Tag hier“ antwortete sie berührt, „und ich würde mich freuen, wenn du mir noch mehr von deiner Großmutter erzählen würdest!“
So standen sie nun Beide vor der Bank auf dem Gehweg und der junge Mann sagte: „Das ist kein Problem, wenn nur alle so gut zuhören könnten, wie Sie.
Also dann, bis morgen und schlafen Sie gut!“
Die alte Dame lächelte, nahm seine Hand, drückte sie leicht und sagte: „Du bist ein guter Junge und bitte nenn’ mich Maria!“
„Danke! Also dann, Maria, bis morgen!“ sagte er und ging.
„Bis morgen!“ sagte sie und schaute ihm noch eine Weile nach.
Was für ein Tag, dachte die alte Dame und lächelte.
Sie setzte sich wieder in Bewegung, um auch pünktlich zum Abendessen zu erscheinen.
Obwohl sie doch immer den gleichen Weg zurück ging, erschien er ihr heute anders.
Auch der lange Flur war nicht mehr so lang wie vorher.

Dieser Tag war doch nicht so wie immer...


c/Heike Kijewsky


Das Leben und dazu eine Katze, das gibt
eine unglaubliche Summe.[small]- Hermann Hesse-
[small]

Peter Bochanan Offline




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31.03.2008 11:38
#9 RE: Zur Wahl - Geschichten-Sammelstelle Thread geschlossen

Die Unterhaltung mit Lisa

Konrad schloss schnell die Wohnungstür hinter sich. Dann zog er Mantel und Schal aus, hängte seinen Hut an die Garderobe und schlüpfte aus den dicken Winterschuhen. Es war bitterkalt draußen, obwohl es schon Ende Februar war. Der Winter wollte sie dieses Jahr einfach nicht loslassen. Während er in die Küche ging, rieb er sich die Nase, die kalt und gefühllos geworden war im schneidenden Wind. Konrad setzte Wasser auf und hing einen Teeeutel in je eine große Tasse. Dann schlurfte er hinüber ins Wohnzimmer.

„Da bin ich wieder, mein Gott, war das heute ein Gedränge in der Stadt. Als ob es Morgen nichts mehr geben würde in den Geschäften. Da kommen wir als alte Menschen gar nicht mehr mit. Dann war da ein junger Mann an der Bushaltestelle, der …… entschuldige, das Teewasser ist fertig". Konrad erhob sich aus seinem Sessel und begab sich erneut in die Küche. Er schaltete die Elektroplatte unter den Wasserkessel ab und goß die Tassen voll. Zurück im Wohnzimmer stellte er eine Tasse vor seinem Lieblingssessel auf den Tisch, die andere gegenüber.

„Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, ich hatte gerade den Bus bestiegen und schaute, da der Bus recht gut gefüllt war, nach einem Sitzplatz. Ungefähr in der Mitte entdeckte ich einen und bewegte mich darauf zu. Da stieß mich ein junger Mann, gerade mal 20 oder so, fast um, stürmte auf den freien Platz zu und nahm ihn in Beschlag. Da es der einzige freie Platz im Bus war, fragte ich ihn, ob ich mich vielleicht dorthin setzen könne. Er allerdings erwiderte nur, dass er erschöpft sei vom ganzen Tag in der Uni. Außerdem koste sein Ticket genauso viel wie meines, sodass er das gleiche Recht auf einen Sitzplatz habe, wie ich. Schließlich erhob sich eine Frau mit einem Baby auf dem Arm, eine Türkin glaube ich und bot mir ihren Platz an. Ich wollte das nicht, aber sie bestand darauf. Dabei lächelte sie mich an und warf dem Burschen einen Blick zu, der mir ein wenig Angst machte. Der aber reagierte gar nicht darauf und blätterte in einem Heft herum.

Ja meine Liebe, so hat sich unsere Welt verändert. Nicht mehr zu vergleichen mit früher, als Anstand und Höflichkeit … sag mal, erinnerst du dich noch an unseren ersten Urlaub? Das war 1949, nein 1950. Da waren wir doch im Teutoburger Wald. Mein Gott war das herrlich. Alles war grün und so still und friedlich, obwohl in den großen Städten drumherum immer noch ein gewisses Chaos herrschte. Die Spuren des Krieges waren allgegenwärtig, auch wenn der Aufbau stetig voranschritt.

Wir hatten uns in dem kleinen Gasthof eingemietet direkt an dem Birkenwäldchen. Die Reise dorthin war anstregend gewesen und wir sind nach dem Abendbrot direkt ins Bett gegangen und haben geschlafen, wie die Toten. Am nächsten Tag haben wir eine Wanderung gemacht. Ich erinnere mich genau, wir sind ganz früh aufgestanden und gleich nach dem Frühstück losmarschiert. Mittags haben wir dann auf einem Bauernhof Rast gemacht. Ich hatte seit Jahren keine so riesigen Schnitzel mehr gesehen und geschmeckt haben die --- himmlisch. Als wir abends in der Pension ankamen, war der Schreck allerdings groß, denn ich hatte auf dem Bauernhof meine Brille vergessen. Ohne die war ich, wenn es darum ging, etwas zu lesen, aufgeschmissen. Weil wir keine Lust hatten, den ganzen Weg noch einmal zu Fuß zurückzulegen, fragten wir die Gastwirtin, ob es eine Busverbindung in die Nähe des Bauernhofes gäbe. Sie versprach, sich zu umhören und uns am nächsten Morgen Bescheid zu sagen. Wir bedankten uns und an dem Abend hast du mir alles Wichtige einfach vorgelesen.

Am nächsten Morgen haben wir etwas länger geschlafen und fürchteten schon, kein Frühstück mehr zu bekommen. Als wir den Gastraum betraten, war unser Tisch gedeckt und zu unserer Verwunderung lag neben meiner Kaffeetasse das Etui mit meiner Lesebrille. Die Wirtin brachte die Brötchen und den Kaffee und berichtete uns, das sie ihren Sohn mit dem Fahrrad zu dem Bauernhof geschickt habe, um uns den be-schwerlichen Weg zu ersparen. Ich habe mich damals sehr darüber gefreut und wollte dem Jungen 2 Mark geben.

Der lehnte jedoch ab und weigerte sich, die Belohnung anzunehmen. Nachdem wir zurück waren aus dem Teutoburger Wald, fanden wir den Brief von unserer Bank im Briefkasten. Der Kredit für den Bau unseres Häuschens war bewilligt worden. Ui, da haben wir uns gefreut. Ich bin gleich zu Frau Kramer in den Laden an der Ecke gelaufen und habe eine Flasche Sekt gekauft. Damit haben wir dann auf eine gute Zukunft angestoßen. Ich war froh, nach dem Krieg die An-stellung bei der Post bekommen zu haben. Ich konnte mich im Laufe der Jahre bis zum Postinspektor hocharbeiten, sonst hätten wir uns das alles nicht leisten können. Jahrelang haben wir nur für das Haus gearbeitet, aber 1962 konnten wir dann endlich wieder einmal in Urlaub. Weißt du noch, wie du dich gefürchtet hast, weil wir nach Mallorca FLIEGEN wollten? Du wärest viel lieber mit unserem VW – Käfer gefahren, aber die Strecke war unvorstellbar lang, deshalb entschied ich mich seinerzeit, zu fliegen. Das erste Mal im Ausland, meine Güte, war das aufregend, aber das Land war wunderschön und die Leute die Freundlichkeit in Person.

Das erste Glas Wein schmecke ich heute noch, spüre das Prickeln des frischen Rebensaftes auf meiner Zunge und … weißt du was mein Liebling, wir haben noch eine Flasche Wein im Schrank. Sollen wir nicht ein Gläschen trinken? Das haben wir schon so lange nicht mehr gemacht. Ich gehe die Flasche öffnen und hole die Gläser, ich bin sofort wieder hier." Konrad erhob sich aus seiner gemütlichen Sitzgelegenheit und ging hinüber zum Wohnzimmerschrank.

Dort öffnete er das Barfach und entnahm ihm eine Flasche spanischen Rotwein. Den hatte er einmal im Supermarkt gekauft. Im Schrank war er dann aus irgendeinem unerfindlichen Grund in Vergessenheit geraten. Ein Glück, das sich Konrad just während dieser Unterhaltung an ihn erinnerte. Konrad hatte einige Mühe, den Korken aus der Flasche zu ziehen, aber schließlich war es doch geschafft. Er füllte die Gläser zur Hälfte und stellte die Flasche in die Mitte des Tisches. Dann lehnte er sich mit dem Glas in der Hand zurück, prostete seiner Lisa zu und nahm mit einem Augenzwinkern einen Schluck. Danach stellte er sein Glas wieder auf der Tischplatte ab. „Schmeckt der nicht ausgezeichnet? Ach ja, Mallorca, eine fantastische Insel. Ich habe mich ja nicht so recht getraut, als du mich gebeten hast, einen Wagen zu mieten, damit wir uns etwas von der Insel ansehen können. Wir waren in einem fremden Land und ich hatte Angst, dass etwas passieren könne. Schließlich habe ich es doch gemacht, denn du wolltest Land und Leute kennenlernen. Das habe ich auch nicht bereut. Denk nur mal an den Kellner aus dem Speisesaal, der uns eine Route zusammengestellt hat, damit wir in möglichst kurzer Zeit vieles von der Insel bewundern können?

Und als wir dann mittags bei der Rast den Fisch gegessen haben, der uns so fantastisch geschmeckt hat. Aber nachmittags habe ich dann einen gehörigen Schreck bekommen, als dir plötzlich übel wurde und du dich übergeben musstest. Ich habe schon gefürchtet, wir hätten uns vergiftet, aber mir war ja nicht übel, nur dir. Ich habe dann, auch wenn du das nicht wolltest, einfach in der nächsten Stadt angehalten und dich zu einem Arzt geschleppt, ich hatte halt Angst um dich.

Als der Arzt uns, nachdem er dich eingehend untersucht hatte, sagte, dass du schwanger bist, da bin fast verrückt geworden vor Freude. Ja mein Ein und Alles, drei gesunde Kinder hast du mir geschenkt und damit mein Leben zu etwas Unvergleichlichem gemacht. Denk nur an Bernd, den Teufelsbraten. Hat jeden Tag andere Streiche ausgeheckt und uns damit manches Mal bis zur Weißglut getrieben. Dann, als er 11 Jahre alt war, passierte der grässliche Unfall, als er beim Fahrrad fahren unter den Lkw geriet. Wir haben schon gedacht, er schafft es nicht. Tag und Nacht haben wir abwechselnd an seinem Bett im Krankenhaus ausgeharrt, bis es ihm endlich besser ging. Schau ihn dir heute an, den Lause-bengel. Groß, stark wie ein Bär und äußerst erfolgreich in seinem Beruf. Er hat es wirklich weit gebracht im Leben. Seine Frau und die beiden Kinder können mit Fug und Recht stolz auf ihn sein, und ich bin es auch. Auch aus den beiden Anderen haben sich wahre Prachtexemplare entwickelt.

Schau dir Susanne an. Trotz Haushalt und Beruf schafft sie es, zweimal in der Woche nach uns zu schauen und das in unserem Haushalt zu erledigen, was wir nicht mehr schaffen. Und Rainer, seit Jahren schon lebt er in Amerika und arbeitet dort als Manager eines großen Unternehmens. Doch egal, wieviel Arbeit ihn auch fesselt, einmal pro Woche klingelt unser Telefon und er erkundigt sich, ob bei uns alles in Ordnung ist. Sag selbst mein Schatz, sind das nicht prächtige Kinder?

Alles in allem muss ich sagen hatten wir doch ein schönes und erfülltes Leben, findest du nicht? Sicher, es gab Höhen und Tiefen, aber wo gibt es die nicht. Jedenfalls haben wir alle Probleme gemeinsam aus dem Weg geräumt und können jetzt glücklich und zufrieden unseren Lebensabend genießen. Eins jedoch weiß ich, ohne dich ist das Leben nicht lebenswert und ist es nie gewesen. Du warst und bist mein Leben und meine einzige und große Liebe. Ach du lieber Himmel, hast du einmal auf die Uhr geschaut? Es ist schon kurz nach Mitternacht und wir haben fast die ganze Flasche Wein ausgetrunken. So langsam wird es Zeit, schlafen zu gehen. Geh du schon einmal hinüber, ich komme gleich nach. Ich trinke nur den letzten Schluck Wein noch aus.


Susanne schloss die Tür auf und wunderte sich, keine Musik zu vernehmen, denn in der Regel lief hier das Radio den ganzen Tag. Sie stellte ihre Handtasche auf den Boden, zog den Mantel aus und ging dann hinüber ins Wohnzimmer. Dort fand sie ihren Vater schlafend in seinem Sessel vor. Sie lächelte, als sie sein friedliches Gesicht mit dem leichten Lächeln auf den Lippen erblickte. „Guten Morgen Papa, na, wie geht es dir heute?“ Da Konrad nicht reagierte, rüttelte Susanne leicht an seiner Schulter, aber auch das weckte ihn nicht auf.

Susanne bekam einen Riesenschreck und fühlte sogleich den Puls, da erst merkte sie, dass ihr Vater nicht mehr am Leben war. Der eilends herbeigerufene Arzt stellte fest, dass Konrad in seinem Lieblingssessel einfach eingeschlafen und nicht mehr erwacht war. Nun war sein Wunsch, von dem er in letzter Zeit sehr häufig gesprochen hatte, endlich in Erfüllung gegangen. Konrad wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder mit seiner Lisa vereint zu sein, die vor etwa zwei Jahren plötzlich und unerwartet verstorben war. Wer allerdings der Besuch war, den er am letzten Tag seines Lebens noch empfangen hatte, dieses Geheimnis nahm Konrad mit ins Grab. Die Tasse Tee und das Glas Rotwein, dass ihm gegenüberstand, waren jedenfalls unberührt.

© 2008-02-21 by Peter Bochanan

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Das geschriebene Wort ist das Tor zur unendlichen Freiheit der Gedanken


Peter Bochanan

Rügenrabe Offline


Amateur


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13.04.2008 21:31
#10 RE: Zur Wahl - Geschichten-Sammelstelle Thread geschlossen
Berliner Gören und ich mitten drin

Nun ja, wenn ich so zurück denke, an die sechziger Jahre, als meine Eltern in den ersten
Sommerferien, welche mir beschert waren, mich für eine Woche nach Berlin
zu meiner Tante Ilse brachten, kann ich nur sagen, es war eine tolle Zeit.
Für einen Jungen vom Lande, gab es nichts aufregenderes, als diese fremde Großstadtwelt
zu entdecken. Verglichen mit der Insel Rügen, wo ich her kam, war hier alles ganz anders.
Noch heute, fünfzig Jahre danach, erweckt das damals Geschehene meine Erinnerung.
Zum ersten Mal sah ich dort Häuser, die so groß waren, dass sie die Sonne verdeckten.
Dann diese überaus breiten Bürgersteige. Obwohl auf ihnen tausende Menschen hektisch
hin und her liefen, wurden sie von mir als solches, zuerst garnicht richtig wahrgenommen.
Das Erschreckendste aber für mich war der Kreisverkehr. Vierspurig angelegt und von der
Wohnung meiner Tante aus gut zu sehen, besaß allein sein Rondell einen Durchmesser,
in dem prompt das ganze Dorf ,wo ich zu Hause war, hätte Platz gehabt. Die Autos
und Straßenbahnen fuhren dort regelrechte Rennen. Meine damals unbändige Wildheit und Neugierde
fand hier den richtigen Nährboden. Weil aber ein Bub von sieben Jahren noch Welpenschutz geniesst
und die Tante Ilse, sie war eine korpulente, gutmütige ältere Dame, es auch so sah,
überlebte ich bei ihr die Tage mit einem blauen Auge. Sie begriff schnell, dass ich mit allen
Hunden gehetzt war und nachdem ich mich in diese neue Umwelt integriert hatte, ohne jeden Zweifel
zwischen die Berliner Gören passte. Grundsätzlich, wenn die Nachbarjungens, eine Meute von
zeitweise acht Mann, mich zum Spielen abholten, ermahnte sie mich mit ihrem erhobenen Zeigefinger,
keinen Ärger zu machen. Gleich am ersten Tag, nahm mich dieses Rudel, der Jüngste war drei,
der Älteste zehn oder elf Jahre alt, zu einer Baustelle mit. Diese lag wenige Straßen von
unserem Häuserblock entfernt. Weil es regnete und mir nicht klar war, was wir da jetzt wollen,
fragte ich den Ältesten in unserer Gruppe, er war unser Hauptmann, was es denn dort gebe.
„Nackte Weiber,“ antwortete er. Ich war sofort still. Noch nie hatte ich bis dahin eine,
geschweige denn mehrere nackte Mädchen gesehen. Um meinen Rang in dieser Bande
durch jenen Makel nicht zu gefährden, liess ich mir das aber nicht anmerken.
Da angekommen, öffnete sich wie selbstverständlich die Tür des dort stehenden Bauwagens.
„Hallo Jungs,“ rief uns ein Bauarbeiter entgegen. „ Besucht ihr uns wieder einmal.
Kommt rein!“ Mir rutschte das Herz in die Hose.Wenn ich da jetzt mit hinein gehe,
sind dort lauter nackte Weiber und was dann? Weniger durch Zufall, sondern mehr
durch mich gesteuert, gelang es mir, den Ort meiner Hilflosigkeit als letzter zu Betreten.
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Es gab gar keine nackten Mädchen hier.
Unser Häuptling hatte die Aktfotos, welche zu Hunderten an den Innenwänden des Bauwagens
befestigt waren, gemeint. Obwohl erleichtert überschlugen sich dennoch meine Sinne.
Erst als ich mich durch das Gelächter der Arbeiter, beim tiefen Betrachten jener Bilder
ertappt fühlte, schaltete ich auf cool. Wie John Wayne in seinen besten Filmen, stand ich
mit dem Rücken zur Wand. Keiner durfte über mich lachen und meine Mimik sollte
zum Ausdruck bringen, dass es hier garnichts besonderes zu sehen gab. Nach einer Weile,
die mir aber unendlich lang vorkam, stürmte unsere Gang wieder aus diesem Kabuff nach draußen.
So, als wäre es das Normalste von der Welt, liefen wir nun unweit der Baustelle,
in ein wuchtiges Hochhaus. Dieses war ein riesiger Kasten mit zig Geschäften darin.
Abermals sollte ich aus dem Staunen nicht heraus kommen. Denn, was nun stattfand,
gab es wohl nur in Berlin und sprengte meine verwegensten Vorstellungen über
ungehorsame Jungs. Flippig und ungeniert, vereinnahmten wir nämlich den erstbesten Fahrstuhl,
welcher in der Vorhalle des Gebäudes für Sekunden frei war. Noch nie zuvor, konnte ich
bis dahin das Vergnügen ausleben mit etwas Derartigem zu fahren. Weil einer der Jungs
mir zeigte, wie man den Lift bewegt, kürte ich mich zum Steuermann und liess diesen Aufzug
nun nicht mehr zur Ruhe kommen. Glücklicherweise gab es in ihm keinen Tourenregler,
sonst hätte meine Fahrwut seine Sicherungen wohl zum Schmelzen gebracht. Da der
Spätnachmittag langsam zum Abend überging drängelten einige von uns, dass sie jetzt
nach Hause wollen. Doch auch für mich wurde es Zeit, wenn ich pünktlich zum Abendbrot
bei der Tante sein wollte.


Nun könnte man annehmen, mein erster Tag in Berlin war zu Ende und es würde nichts
himmelaufschreiendes, trotz des Tatendrangs der in mir schlummerte, mehr passieren.
Aber ich schoß noch den Vogel des Tages ab. Bei meinem ,an diesem Abend letzten Toiletten- gang,
jenes stille Örtchen befand sich separat draußen auf dem Korridor und wurde von allen
Bewohnern dieser Etage genutzt, fiel mir eine Leiter auf, welche man dort abgestellt hatte.
Statt mich nun der eigentlichen Sache zu widmen, wegen der ich mich hier befand, manöverierte ich
das so etwa zweieinhalb Meter lange Ding, neben den hoch an der Wand befestigten,
für den Reinigungsprozess des Klobeckens verantwortlichen Spülkasten. Endlich war es mir
durch eine Leiter einmal möglich, dort hinein zu schauen. Weil mich aber das Innenleben dieses
Behälters dann doch nicht so fesselte, spielte ich kurz an dem Ventil für dessen Wasserzufuhr
und liess ihn randvoll laufen. Beim Wiederheruntersteigen der Leiter wurde von mir,
eigentlich war es nur ein Versuch, ob es überhaupt klappt, jene Verschraubung gelöst
und entfernt, die das lange Fallrohr vom Toilettenbecken mit dem Spülkasten verbindet.
Bevor ich nun darüber nachdenken konnte, welche Katastrophe meine letzte Handlung mit Sicherheit heraufbeschwört, klopfte und rüttelte es kräftig an der Tür. „Dauert das noch lange,
andere müssen auch aufs Klo.“ rief eine Stimme. Mein Herz pochte. Wie versteinert stand ich da
und blieb mucksmäuschenstill. Als dann endlich diese Person plump tabsend sich wieder entfernte,
huckte ich die Leiter an ihren Platz zurück und verdrückte mich. So nach etwa zwanzig Minuten,
meine Tante spielte mit mir gerade Mensch ärgere dich nicht, erschütterte das Haus
ein lautstarker, furchterregender Schrei. Erschrocken liefen wir beide auf den Korridor
und sahen ein grausiges Bild. Den Hausobmann hatte es voll erwischt. Weil dieser gleich nach mir
die Toilette benutzte passierte ihm das, was jeden anderen hätte auch passieren können.
Denn das Fallrohr vom Toilettenbecken, welches oben am Spülkasten von mir zwar gelöst
doch nicht wieder festgeschraubt wurde, konnte seinen Zweck nicht mehr erfüllen und so kam,
was kommen musste. Beim Spülen seiner Notdurft ergossen sich die gut zehn Liter Wasser
aus dem Behälter nicht in das Toilettenbecken, sondern über seinen Kopf. Wutschnaubend tobte nun
der Ärmste in einem quaddernassen Pyjamaanzug auf dem Flur herum. Der wilden Gebärden wegen,
die dieser nicht gerade gross gewachsene Mann, synchron mit seinem Geschimpfe
dabei zum Besten gab, rutschte ihm immer wieder die Hose in die Kniekehlen.
„Ich bring euch vor Gericht,“ tönte es aus seinem Mund. „Ich weiss genau,
wer die Schuldigen sind. Das hat ein Nachspiel!“ Keiner, der wegen diesem übergeschnappten
Hauswart herbeigeeilten Nachbarn, konnte sich erklären,warum er total durchnässt
und ausser Rand und Band war. Das kam erst später als sich herumsprach,was ihm wiederfuhr.
Das Gelächter allerdings über sein Schicksalsschlag verstummte nicht. Im Gegenteil.
Durch eine Maßnahme, die gezielt gegen diesen mit seiner Frau, ständig unter Alkohol stehenden,
und bei jedermann unbeliebten Hausmeister gestartet wurde, kippte man neues Öl aufs Feuer.
Irgendjemand, brachte nämlich einen A4 großen Zettel an der Innenseite der Klotür an, auf dem
sein Name erwähnt wurde und geschrieben stand:

An den Franz der auch im Hause wohnt,
ist gerichtet die Beschwerde,
er ist das grösste Arschloch hier
und säuft die Steine aus der Erde.
Sein Weib die Olle spielt die Holde,
das ist soweit okay,
doch weiß man längst im ganzen Block,
was Hey nicht süppt ,süppt Sey.

Jeder in diesem Haus hatte seinen eigenen Favoriten, von dem sie glaubten ,dass er hinter
diesem ganzen Schabernack steht. Das aber ich einer der „Robin Hood“ war ,
behielt ich besser für mich.


Es war Sonntag früh am Morgen, sechs Uhr dreißig. Trotz der aufregenden Ereignisse
vom Tag davor hatte ich gut geschlafen. Weil das Zimmer in dem ich bei meiner
Tante Ilse schlief, zur Hofseite lag und dessen Fenster angeklappt waren,
entging mir nicht, dass sich ein morgendlicher Ärger anbahnte. Drei Knirpse, nicht älter
als drei Jahre, eher jünger, marschierten dort lautstark singend im Kreis herum. Der Kleinste
von ihnen hatte in jeder Hand einen metallenen Topfdeckel und ahmte ein Beckeninstrument nach,
wärend die beiden anderen je einen Pappeimer als Trommel vor dem Bauch trugen.
Leidenschaftlich und unerträglich schön begleiteten sie mit diesen Gerätschaften ihren Gesang.
Es lag auf der Hand, dass um diese Zeit soetwas nicht gutgehen konnte. Die erste Strophe
ihrer Darbietung war noch nicht zu Ende, als sich auch schon ein älterer haarloser Mann,
aus seinem Fenster hängte und rief : „Nun ist´s aber wieder gut, ihr Wichte. Macht mal eine
Pause, hier schlafen noch Leute im Haus.“ Ohne Widerspruch, weil wohl eingeschüchtert von der
dominanten Stimme dieses Herrn, verstummte sofort die Band und die Ordnung
war wieder hergestellt. Zwei Stunden später dann, längst hatten andere arkustische
Geräusche wieder die Ruhe vom Hof verdrängt, hielt mich nichts mehr in der Wohnung.
Ich mußte raus. Beim Verlassen des Treppenhauses, lief mir Karsten, unser Hauptmann
über den Weg. Er mußte in die Stadt, um für seinen Vater eine handvoll Nägel zu kaufen
und weil wir Freunde waren ging ich mit. Jeder Schritt von mir, wurde von nun an zum Abenteuer.
Denn wegen dem Menschengedrängel in den Geschäftsstraßen hatte ich wirklich Mühe,
Karsten zu folgen. Als wir dann endlich in einen Seitenarm abbogen, weil sich dort
das kleine Metallgeschäft befand wo er hin wollte, kam mir das sehr entgegen. Hier gingen
die Uhren langsamer und ich konnte wieder Luft holen. Wie vom Blitz getroffen zuckte Karsten
mit mal zusammen und blieb stehen. „Toll,“sagte er. „ Ich habe vergessen wie diese Nägel hießen,
die mein Vater braucht.“ Bei seinem Versuch dann, mir zu erklären, dass es sich um die kleinste
Sorte handelt, die dazu noch ganz komisch heisst, gaukelte mir mein damals noch kindlich
begrenztes Wissen vor, den richtigen Namen zu kennen. „ Titten !!“ Platzte es aus meinem Mund.
„Die Dinger heißen Titten !! Der Opa von mir hat die auch.“ „ Ach ja , stimmt !!“
bestätigte Karsten mir meinen Lichtblick und ging sofort, von mir gefolgt, mit dieser
wieder erlangten Kenntnis hinein in den Metallladen. Er postierte sich hinter die zwei Kunden
die dort schon anstanden und tickerte voller Ungeduld mit seinem Eineurostück auf den Ladentisch.
Nachdem nun Karsten an der Reihe war, bedient zu werden, stellte ihm der sich schon im
Rentenalter befindende Verkäufer die Frage: „ Na, mein Junge, was möchtest du denn?“
Beide sahen sich in die Augen und weil mein Freund Karsten den Namen des Verkäufers kannte,
sprach er ihn mit diesem an und fragte zurück: „ Herr Kramer, haben sie Titten?“
Mit versteinertem Blick, weil sichtlich verdutzt über diese Frage, schaute der alte Mann
nun über seine Hornbrille hinweg auf Karsten und die andere Kundschaft:
„Nein, mein Junge,“ antwortete er dann kopfschüttelnd. „Die habe ich nicht.“ „Wirklich nicht?“
fragte Karsten, das nicht glauben wollend noch eimal nach. Doch der Herr Kramer versicherte ihm:
„ Nein, ganz bestimmt nicht.“ Nun endlich hinnehmend, dass es hier keine Titten gab,
wollte mein Freund, dieser Berliner Junge, von dem Verkäufer nur noch wissen, wann es denn
wieder mal diese ganz kleinen Nägel gibt. „ Na, die kannst du doch gleich bekommen,“
klärte er ihn auf. „ Nur heißen sie nicht Titten, sondern Täckse.“ Genau in diesem Moment
klingelten bei mir die Glöckchen und ich wusste, was hier falsch gelaufen war. Ich rannte aus
dem Laden und mußte dermassen herzhaft Lachen, dass mir nicht nur die Tränen kamen,
sondern auch immer wieder die Luft weg blieb. Karsten, der erst nach meinen ihn aufklärenden
Worten kapierte, was er da gerade für eine Nummer abgezogen hat, erging es dann genau so.


Ja. Lang, lang ists her, als all das geschah. In einem Gedicht, welches ich irgendwo
einmal gelesen hatte brachte dessen Verfasser zum Ausdruck, wie schnell doch
die Kinderzeit vergeht. Und es ging so.

Über das Pflaster dieser kleinen Gasse
bin ich schon als Kind oft lang gelaufen,
mit mir spielten hier die Nachbarjungens,
doch wir taten uns auch manchmal raufen.

Wenn Mutters rief zu Mittagstisch,
so wollte es keiner hören,
auch nicht, wenn uns drohte ein Donnerwetter,
wir waren eben richtige Gören.

Ab und zu wurde sogar mit Mädchen getobt,
dabei gab es hin und wieder mal Beulen,
doch das störte uns nicht, wir waren keine Kavaliere,
und so fing schon mal eine an zu heulen.

Ja,das war eine Zeit,
wo man als Kind nicht erkannte,
wie schön sie doch eigentlich ist,
ach, wäre ich doch nie so sehr erwachsen geworden,
denn ich habe diese oftmals vermisst.

Wenn mal mehr Zeit ist, erzähle ich euch wie es weiterging und was in den anderen
Ferientagen noch so alles passierte. Aber jetzt muß ich los, denn mein Bus kommt gleich.

Tschüß und machts gut.

Horst Husner
ronya Offline


Amateur

Beiträge: 27

14.04.2008 10:04
#11 RE: Zur Wahl - Geschichten-Sammelstelle Thread geschlossen

Es gibt tückische Tage, das glaubt man einfach nicht. An so einem Tag geht einfach alles schief, was man sich nur denken kann.
So ein Tag ist auch heute.
Ich stehe auf von meinem Bett und ramme mir dabei meinen Fuß am Nachttisch, sodass ich vor lauter Schmerz wie ein junger Hund aufheule. Zu allem Verdruss stieß ich auch noch mein Glas mit Wasser runter, welches neben der Nachtischlampe steht. Das Glas fällt mit lautem poltern und klirren zu Boden und zerspringt in tausende von Einzelteilen. Ich habe einen Parkettfußboden und da scheppert es um so lauter.
Vor meinem Bett habe ich einen kleinen Läufer liegen. Mit meinem Fuß bin ich dann auch noch in eine von dem Scherben getreten. Ich denke bei mir das kann doch wohl nicht wahr sein. So ein Pech aber auch. Ich jammere nun noch mehr, weil ich die Scherbe nicht aus meinem Fuß heraus bekomme.
Kraftlos lass ich mich auf mein Bett fallen und denke bei mir, wie komme ich nun zum Bad?
Mein Fuß blutet wie verrückt. Der Läufer ist auch schon beschmiert.
Da sehe ich das Handy neben mir. Auf das Einfachste kommt man natürlich nicht. Ich wähle die Nummer meiner Freundin.
Sie geht aber natürlich nicht ran. Hm. Warum auch. Ist ja heute mein Pechtag, wo alles schief geht.
Ich überlege mir, was ich tun könnte.
Der Fuß hat aufgehört zu bluten. Aber die Scherbe ist noch drinn. Ich muss ja irgendwie zum Arzt kommen. Weil mir kalt geworden ist, ziehe ich mir etwas an. Aber erstmal ins Bad kommen, das ist nun wichtig. Will mich ja auch nicht noch erkälten. Ich habe es schließlich mit Ach und Krach ins Bad geschafft. Dort sitze ich nun auf dem WC.
Und mache erstmal ein kleines Geschäft.
Das muss nun mal sein. Meinen Fuß verbinde ich erstmal steril.
Eine Schmerztablette nehme ich auch gleich.
Vor mich hinschimpfend gehe ich zum Telefon und rufe mir ein Taxi.
Zum Arzt war es nicht weit. Der Fuß schmerzt so unerträglich, dass ich nicht alleine dorthin laufen kann. Der Taxifahrer war auch gleich da und bringt mich zum Arzt. Er hilft mir die Treppen runter. Er fragt, was ich denn gemacht habe. Ich erzähle ihm von meinen Missgeschick. Da sagt er, dass ihm auch schon so etwas passiert wäre. Seinen kleinen Zeh hat er sich gebrochen, als er gegen ein kleines Regal in der Nacht gelaufen war. Das tat auch höllisch weh. Wir unterhalten uns noch eine Weile. Dann bringt er mich zum Arzt hinauf, ich kann ja immer noch nicht alleine gehen. Ich bedanke mich bei ihm. Der Fahrer sagt, dass ich ihn anrufen könnte, wenn ich fertig bin. Das schlug ich natürlich nicht aus. Im Wartezimmer ist es sehr voll.
Ich stehe am Tresen der Praxis meines Hausarztes.. Aber keine Schwester da. Warum denn auch. Na ja. Wie kann es an diesem Tag auch anders sein.
Ich schaue mich um, ob noch ein Plätzchen für mich frei war. Aber nein. Alles voll. Bis auf einem Platz neben einer dicken alten Dame. Daneben sitzt ein etwas dünnerer Herr so um die 30. Bestimmt sind an die 10 Mann vor mir. Ich denke bei mir, das kann ja was werden. Solange warten mit meinem schmerzenden Fuß.
Aber da muss ich wohl durch. Nun kommt endlich auch eine Schwester. Sie fragte, was ich wollte. Ich sage zu ihr, dass ich mir meinen Fuß an einer Scherbe verletzt habe und vielleicht noch die Scherbe drinnen ist.
Sie krammt meine Akte raus. Dabei macht sie den Aktenschrank auf. Der quietschte so laut, dass die alte Dame zu Husten anfing, weil sie grade von ihrer Stulle abbiss.
Sie sage zu mir, das ich mich einwenig hinsetzten soll. Ich humpele zu dem Platz, wo die alte dicke Dame sitzt und der dünne Mann. Die dicke Dame mampfte ihre dicke Stulle mit Käse. Der stinkt fürchterlich. Ich sehe zu ihr herüber. Aber sie verzieht keine Miene. Genüsslich verschlingt sie ihre Käsestulle. Hoffentlich ist sie bald dran, denke ich bei mir. Nun sah ich mich weiter in der Runde um. Da saß noch jemand, der hat seinen Arm auch im Verband liegen. Hat bestimmt sich auch verletzt. Ich bat den Mann neben mir, ob er mal das Fenster ankippen kann. Denn der Käse, den die Frau neben mir zu sich nimmt, stinkt doch ganz schön. Frische Luft tut doch auch allen hier in dem Warteraum gut. Die dicke Dame beginnt zu keuchen, als wenn sie was sagen wolle. Aber sie kommt nicht mehr dazu. Denn sie wird aufgerufen. Mann was war ich froh. Endlich habe ich Platz und Luft. Die Dame steht mit einem Lautem ächzen und stöhnen auf. Nun sehe ich erstmal, dass sie 2 Stühle gebraucht hatte. Ich musste innerlich lachen. Bei so einem Gewicht ist es ja auch kein Wunder. Da braucht sie auch 2 Stühle. Unter einem wäre sie zusammengebrochen. Die sind nicht so stabil. Naja endlich ist sie weg. Der dünne Mann neben mir war auch erleichtert. Weil er der Nächste ist.
Gegenüber von mir sitzt ein junger Mann und liest die Bildzeitung. Neben ihm sitz eine Frau und schaut aus dem Fenster. Eine andere Frau geht zu dem geöffneten Fenster und schaut hinaus. Ein junger Mann gegenüber zieht aus seiner Tasche ein Tempotaschentuch und schnäuzte so laut hinein, dass es einen Lärm machte, als würde ein Elefant trompeten. Das Taschentuch riss dabei entzwei und er musste sich ein Weiteres rausholen. Diesmal machte er es leiser.
Die Schwester kommt heraus und ruft mich auf. Ich muss ins Behandlungszimmer. Dort macht sie vorsichtig meinen Verband ab. Ich zucke ein wenig zusammen. Das bemerkt sie und sagt zu mir:“ Keine Angst ich tue Ihnen nicht weh. Ich mache es ganz vorsichtig. Aber der Verband muss ja ab, damit sich der Arzt es ansehen kann. Ich säubere nur noch die Wunde, dann kann er es sich ansehen kommen. Das säubern wird ein wenig weh tun. Aber das vergeht ja wieder. Sie bekommen bestimmt einen kleinen Schreck, weil es kalt ist.“ Sie macht nun die Wunde sauber mit dem Mittel. Ich zucke ein wenig zusammen. Es ist doch ein wenig schmerzhaft. Aber es ist auszuhalten. „Sieht gar nicht gut aus, sagte die Schwester. „Aber mal sehen, was der Doktor sagt. Der entscheidet weiter.“
Hm, dachte ich bei mir. Sieht nicht gut aus? Das auch noch. Hat mir gerade noch gefehlt. Aber was soll`s. Ist eben nicht mein Tag heute. Werde es schon irgendwie überstehen.

Nun kommt der Arzt und sieht sich das an. „Na da haben sie ja ganze Arbeit geleistet, junge Frau. Wie haben sie das denn hinbekommen? Sieht ja gar nicht gut aus.“ Er besieht sich meinen Fuß, der nun schon angeschwollen ist. Die Liege gibt ein Stöhnen von sich durch sein und mein Gewicht. Ich konnte gar nicht lachen über den Witz. Er nahm eine Flasche mit Desinfektionslösung und besprühte meinen Fuß. Dann ruft er nach einer Schwester, sie soll ihm assistieren. Denn er muss die Scherbe rausbekommen. Er sagt zu der Schwester: „Ziehen sie mal eine Spritze auf, damit wir den Fuß betäuben können. Dann bringen wir die Scherbe auch raus.“ Als ich das höre, wurde mir ganz komisch. Denn ich habe große Angst vor Spritzen. Die Schwester zieht eine Spritze auf mit dem Mittel. Bei dem Anblick der Spritze wurde ich ohnmächtig. „Ach herje. Das hätten wir uns ja sparen können mit der Spritze“.Meinte der Arzt und musste lachen, weil ich weg war und nichts mehr merkte von alle dem, was er machte. Die Spritze habe ich aber doch noch bekommen, weil da ein Antibiotikum drinn ist. Als ich aufwache, war mein Fuß verbunden. Die Schwester hielt meine Hand..“ Na wieder unter den Lebenden?“
Ich wusste gar nicht, was los ist. Aber dann sah ich es. Die Schwester sagte mir, dass ich ohnmächtig wurde, als ich die Spritze sah. Ich musste nun lachen. Sie zeigte mir den Übeltäter für meinen geschwollenen Fuß. Ja solch ein kleiner Übeltäter kann solche Schmerzen anrichten, denke ich bei mir.
Ich war froh, als alles vorbei war. Da fiel mir ein, dass mich der Taxifahrer von heute Morgen ja abholen wollte. Ich konnte noch nicht laufen. Der Schmerz saß noch zu tief.
Ich bedankte mich bei der Schwester. Sie rief den Taxifahrer an, dass er mich abholen könne.
Ich setzte mich noch einwenig hin. Der Warteraum war schon leer. Es wartet nur noch ein Patient. Der schlief schon fast auf seinem Stuhl ein. An der Wand hängt eine Multivisionswand. Dort waren Bilder zu sehen vom WWF.
Nun kam der Taxifahrer. Er brachte mich nach Hause. Sogar bis zu mir hinauf. Ich wollte ihm noch einen Kaffee anbieten. Aber er meinte ich soll ihm sagen, wo alles steht, dann macht er den fertig für uns. Ich sagte es ihm, wo alles steht. Wir tranken dann zusammen den Kaffee.
Daraus entwickelte sich eine kleine Freundschaft.


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