Igel im Schnee
Die ersten Schneeflocken fallen. Der braune Gartenboden färbt sich mit jeder Flocke ein bisschen weißer. Päppel dreht seine Runde durch die Beete. Er knabbert mal hier an dem Haselnussbaum und da an einem Rosenbusch. Aber alle Blätter, die im frühen Herbst noch gut geschmeckt haben, sind heruntergefallen. Päppel verliert die Lust zu knabbern und schnuppert an der dünnen Schneeschicht. „Der riecht gar nicht, der Schnee“, denkt Päppel und sofort ist ihm das auch zu langweilig. Aber der Haufen dort am Gartenrand, der riecht bis zu Päppel. Er springt voller Freude bis zu dem Laubhaufen, der neben der Kompostmiete liegt. Seine Nase wühlt in den gelben und braunen Blättern. Er wühlt so sehr, dass bald sein ganzer Kopf unter den Blättern verschwunden ist. „Aua!“ ruft Päppel. Irgendetwas hat ihn an der Wühlnase gestochen. „Blöder Dorn!“ schimpft Päppel. „Von wegen Dorn, Du Trüffelschwein, das war einer meiner Stacheln.“ Ein grimmig dreinschauendes Igelgesicht blickt Päppel aus dem Laubhaufen an. „Warum weckst Du mich? Ist schon Frühling?“ fragt der Igel. Päppel schaut hinter sich und dann wieder zu dem Igel. „Ich sehe kein Trüffelschwein und auch keinen Frühling.“ Der Igel streckt sich einmal ganz lang und schüttelt sich dann die Blätter von den Stacheln. „Stimmt! Du siehst doch eher aus wie ein Schaf. Na ja, jedenfalls so ähnlich. Frühling kann es auch nicht sein, so kalt und.....ihhhh...es schneit auch noch.“ Der Igel schüttelt den Kopf. „Ich hatte so schön geschlafen. Was mache ich denn nur? Weißt Du eigentlich, wie schwer es für uns Igel ist, wieder in den Winterschlaf zu fallen?“ Päppel zuckt mit den Schultern und sagt „ Ich kann immer gut einschlafen, wenn ich meine letzte Flasche mit leckerer Milch bekommen habe. Ich verstehe nicht, warum Du Dich ausgerechnet hier einquartiert hast. In meinem Stall ist bestimmt noch ein Plätzchen für Dich. Es gibt Heu und Stroh und das ist so kuschelig warm, Igelchen.“ Igelchen rümpft die Nase. „Ich sehe schon, Du verstehst rein gar nichts vom Winterschlaf und von Igeln. Wenn es Herbst wird, sehne ich mich schon ganz toll wieder nach dem Frühling. Im Winter gibt es für mich nichts zu fressen, keine Würmer, keine Beeren, keine Krabbeltiere. Mit meinen kurzen Beinen bleibe ich im Schnee stecken. Deshalb haben wir Igel vor langer Zeit die Idee gehabt den ganzen Winter zu verschlafen. Im Herbst gibt es so viel Obst, dass wir uns einen kleinen Bauch anfuttern können. Das reicht uns viele Tage lang. Wir suchen uns ein gemütliches Bettchen, so wie diesen Laubhaufen. Dann rollen wir uns zusammen und träumen von der warmen Frühlingssonne. Aber uns darf niemand dabei stören. Wir ärgern uns dann den kleinen Speckbauch weg. Hungrig kann niemand wieder einschlafen.“ Igelchen guckt ganz verzweifelt. „Oh je“ und „Du meine Güte!“ denkt Päppel. Er scharrt verlegen ein bisschen Schnee mit seinen Füßen beiseite. „Ich gebe Dir gerne etwas von meiner Lämmermilch ab, wenn Du willst.“ Der Igel schaut Päppel ganz ernst an. „Das denken die Menschen auch immer. Erwachsene Igel dürfen keine Milch trinken. Das gibt Bauchweh. Menschen wissen so wenig von uns. Wenn sie uns im späten Herbst im Garten finden, machen sie immer ein betrübtes Gesicht. Sie heben uns dann auf und nehmen uns mit ins warme Haus. Wir können keinen Winterschlaf halten, wenn es zu warm ist. Das verstehen sie nicht. Ich kenne einige Menschen, die würden auch gerne den Winter verschlafen. Aber sie kennen die Igeltricks nicht.“ Päppel überlegt, wie er dem kleinen Igel helfen kann. „Ich weiß es,“ ruft Päppel, nachdem er sehr angestrengt überlegt hat. „Mein Schäfer hat eine große Kiste mit Äpfeln gesammelt. Die steht bei mir vor dem Stall. Ich mag nämlich klein geschnittene Äpfel auch so gerne. Die sind lecker süß. Komm mit, ich zeige sie Dir.“ Päppel und der Igel gehen zusammen bis zum Stall. Das dauert ziemlich lange, weil der Igel mit seinen kleinen Beinen nicht so schnell laufen kann, wie Päppel. Aber Päppel hat Geduld mit seinem neuen Freund und irgendwann stehen sie in dem Raum vor dem Stall. Es riecht nach Heu und Stroh. Zwischen den Ballen steht die Kiste mit den Äpfeln. Päppel muss sie dem Igel gar nicht zeigen. Mit seiner guten Nase hat er sie längst gerochen. Igelchen klettert in die Kiste hinein und dann hört Päppel nur noch ein Geschmatze. „Wie lecker und wie süß!“ Igelchen ist ganz glücklich. Lange kaut er sich durch die Äpfel, so dass Päppel nur noch staunen kann, wie viel ein kleiner Igel fressen kann. „Das war eine sehr gute Idee von Dir, Lämmchen. In einem Apfel habe ich sogar noch einen Wurm gefunden. Ich bin Dir jetzt gar nicht mehr böse, dass Du mich geweckt hast. Das waren die leckersten Äpfel, die ich jemals gefressen habe. Mein Bauch ist wieder ganz rund. Schau mal!“ Igelchen streckt seinen kleinen Bauch ganz weit hinaus.
„ Das reicht mir bis zum Frühling.“ Päppel weiß, wie wohl er sich fühlt, wenn sein Lämmerbauch mit leckerer warmer Milch gefüllt ist. Er freut sich mit dem Igel, dass es so gut geschmeckt hat. „Sehen wir uns im Frühling wieder, Igelchen?“ fragt Päppel. „Lämmchen, wenn die Frühlingssonne die Osterglocken erblühen lässt, kommst Du wieder zu dem Laubhaufen. Aber dann ruf leise meinen Namen und wühl nicht wieder so wild in den Blättern. Ich mag es ganz sanft geweckt zu werden. Ich will mich jetzt auf den Weg machen. Ein kleines Äpfelchen nehme ich noch mit. Und dann kuschel ich mich wieder ein in mein Laubnestund träume von den warmen Frühlingssonnenstrahlen. Vielleicht träume ich auch von Dir und Deinen dunklen warmen Lammaugen. Du bist sehr lieb, Lämmchen.“ Mit kleinen Tippelschritten und dem Apfel auf den Stacheln macht sich der Igel auf den Weg. „Schlaf gut, Igelchen und träum schön. Ich wecke Dich im Frühjahr ganz sanft. Ich denke an Dich, den ganzen Winter lang.“