Die folgende Geschichte ist frei erfunden. Jede Namens – und Personengleichheit ist rein zufällig.
Das alte Haus
Unwillig drehte sich Friedel auf die andere Seite, als die Sonne seine Nase kitzelte. Wohlig seufzte er auf, als ihm nach einigen Minuten des behaglichen Dösens bewusst wurde, dass er heute nicht ins Büro brauchte und drei lange herrliche Wochen Urlaub vor sich hatte.
Was konnte er da alles unternehmen…wandern, segeln, nach Strich und Faden faulenzen… endlich wieder in Ruhe ein gutes Buch lesen. Doch was war das? Das untrügliche Gefühl, etwas Entscheidendes vergessen zu haben, machte sich mahnend in ihm breit. Die kuschelige Behaglichkeit, so lange schlafen zu können, wie es ihm beliebte, wich schlagartig und mit einem leisen Stöhnen schlug er die Faust in die dicken Kissen.
Richtig…er hatte sich vorgenommen, endlich seine Küche zu renovieren und wollte heute gleich nach dem Frühstück mit dem Abklopfen der alten, beschädigten Fliesen beginnen, obwohl er so etwas noch nie gemacht hatte, da er einfach kein Händchen für solche Arbeiten besaß, die gestandene Heimwerker ins Schwärmen brachten. Die hübschen neuen Fliesen, die er bei seinem gestrigen Besuch im hiesigen Baumarkt kurz entschlossen günstig erstanden.hatte, würden jedoch der hässlichen, porösen Wand gut zu Gesicht stehen.
Die frische neue Küche vor seinem geistigen Auge schlug er die Bettdecke zurück und sprang federnd auf die Beine…jedenfalls so gut wie sein kleiner Bauchansatz dies zuließ und eilte trällernd in die Dusche. Zum Frühstücken gönnte er sich nicht allzu viel Zeit, denn mittlerweile kribbelte es ihn in den Fingern, endlich nach Hammer und Meißel greifen zu können.
Nur kurz dachte er an Frau Sauersand, die in den Räumen unter ihm residierte und jeden seiner Schritte und Aktivitäten mit Argusaugen verfolgte. Es verging kein Tag, an dem sie nicht mit einem Besenstiel vehement gegen die Decke klopfte, um ihn daran zu erinnern, dass er wieder einmal Lärm machte, den sie partout nicht vertrug. Dass sie obendrein mit dem Finger über die Hausflurtreppe wischte, um zu kontrollieren, ob er diese auch regelmäßig reinigte, war jedoch sein persönlicher Verdacht, den er nicht beweisen konnte.
Er zuckte die Schultern, spuckte unternehmungslustig in die Hände, griff zum Werkzeug und als die erste Fliese mit einem hellen Klirren auf den Boden fiel, stellte er bei sich fest, dass Heimwerken doch eigentlich nicht so kompliziert war, wie er sich das immer vorgestellt hatte. Im Gegenteil, die Sache begann ihm höllischen Spaß zu machen und er lauschte hingebungsvoll der polternden Musik, die Hammer, zerplatzende Fliesen und der wild klopfende Besenstil von Frau Sauersand zelebrierten.
Friedel kam zügig voran und der Berg aus Fliesensplitter, bröckelndem Putz und Schmutz wurde immer größer. Frau Sauersand schien ihre Strategie geändert zu haben, denn ihre keifende Stimme erklang nun vor seiner Wohnungstür…begleitet mit Dauerbetätigung der Türklingel. Unwirsch ließ Friedel den Hammer sinken und er dachte an das Fräulein Gudrun, die direkt über ihm wohnte und sich niemals bei ihm über irgendetwas beschwerte, obwohl er sich das so sehr wünschte.
Stets huschte sie mit verlegen gesenktem Haupt an ihm vorbei, wobei sie seinen Gruß so leise erwiderte, dass er sie kaum verstand. Wenn sie im Garten saß und las, rückte sie oft an ihrer Brille, die viel zu groß für ihr schmales Gesichtchen war und ihre Lektüre schien so ernst zu sein, dass nicht mal der kleinste Hauch eines Lächels ihre blassen Züge verschönte. Verträumt starrte Friedel den Hammer und die alten, losen Ziegel an, die er in mühevoller Arbeit freigelegt hatte.
Oh ja…er wusste schon, was er tun würde, wenn das Fräulein Gudrun sich einmal überwand und an seiner Tür klingelte. Zunächst würde er sie hineinbitten in sein bescheidenes und chaotisches Heim. Stirnrunzelnd sah er sich um…na ja…er würde vorher halt ein wenig aufräumen müssen. Dann würde er sie zur Couch geleiten…ihr die Kissen zurechtrücken…ihr einen Drink mixen…oder doch lieber erst einen Kaffee? Dicht neben ihr würde er sich niederlassen und sie verliebt ansehen…dann würde er ihr ganz vorsichtig die dicke Brille abnehmen und dann…
„Hören Sie sofort mit dem Lärm auf…Sie Unhold…“ schrillte die erboste Stimme von Frau Sauersand vom Hausflur…“oder ich hole die Polizei…“
Der zarte Traum vom Fräulein Gudrun platzte wie eine Seifenblase und Friedel hieb wütend mit dem Hammer gegen die roten Ziegel. Staunend registrierte er das dunkle Loch in der Wand, in das der malträtierte Ziegel mit lautem Poltern verschwunden war. Nun hatte er auch noch die Wand vollends zerstört und das alles wegen der keifenden Xanthippe, die es sich schon seit ihrer ersten Begegnung zum Sport gemacht hatte, ihm in allen möglichen und unmöglichen Situationen auf die Nerven zugehen.
Er würde das Loch wieder zumauern müssen. Böse musterte er den dunklen Umriss und einer plötzlichen Eingebung folgend griff er zögernd hinein. Vorsichtig ruderte mit der Hand suchend in der kleinen Vertiefung herum und zog nach einer Weile triumphierend ein kleines zusammengerolltes Stück Papier hervor. Papier? Das war kein Papier…das war bestes Pergament…versehen mit einem zerlaufenem roten Siegel. Friedel hatte in seiner Jugend genug Räuber und Piratengeschichten gelesen… stets mit den Helden gefiebert und etliche Schätze gemeinsam mit ihnen gefunden, um jetzt nicht an solch einen verborgenen Schatz zu glauben.
Aufgeregt und mit zitternden Händen löste er das Siegel und rollte das altersschwache, raschelnde Pergament auseinander. Dann studierte er ratlos eine zunächst unübersichtliche Anordnung von Linien und Rechtecken. In einem der Rechtecke war ein noch recht deutlich erkennbares Kreuz eingezeichnet…es sah jedoch aus, als ob dies jemand nachträglich eingezeichnet hätte. Es könnte eine Grundrisszeichnung sein...überlegte er und wendete die Zeichnung hin und her, um sie aus allen Perspektiven zu betrachten.
War das nicht…heftig begann sein Herz zu pochen…war das nicht der Kellergrundriss von diesem uralten Haus? Dort neben dem Gang lag der kleine Kellerraum vom Fräulein Gudrun…daneben der große von der stets unzufriedenen Frau Sauersand und das…ganz in der Ecke, das war sein Raum und genau in dessen Mitte prangte das deutliche Kreuz auf dem Pergament. Verwirrt sah Friedel auf und griff sich an den Kopf. Ein Schatz…in seinem Keller war ein Schatz vergraben!
Mit einem wilden Satz sprang er auf, eilte durch die Küche zur Wohnungstür, riss sie auf und stürmte die Treppe hinunter…vorbei an der erschrockenen Frau Sauersand, die ihre Augen zum Himmel wandte und sich verstohlen bekreuzigte. In seinem Keller angelangt, warf er die glatte Holztür ins Schloss und verriegelte sie von innen. Graben...er musste graben…aber womit? Der Boden war aus festgetrampeltem Schmutz, Sand und zerplatztem uraltem Bodenputz, der in der Vergangenheit immer wieder repariert worden war.
Hastig zog er die kleine verrostete Spitzhacke hervor, die der Vorbesitzer aus wer weiß welchen Gründen vergessen hatte zu entsorgen. Prüfend musterte er noch einmal die auf dem Pergament eingezeichnete Stelle, dann holte er aus und hieb die Spitzhacke in den Boden. Verbissen schwang er das Werkzeug und der Boden gab so willig nach, dass Friedel sich völlig sicher war, dass eben hier an dieser Stelle schon einmal jemand gewirkt hatte. Er würde ihn finden…den Schatz…ein Jugendtraum würde sich erfüllen. Ein Held war er und das Fräulein Gudrun würde ihn ehrfürchtig ansehen und ihm ihre Gunst schenken.
Das laute Trommeln an der Kellertür nahm er gar nicht wahr und auch die Stimme drang nur von fern an sein Ohr…
„Ich bin es leid…ich hole die Polizei…ich habe schon immer gewusst, dass Sie wahnsinnig sind…!“
Friedel starrte in das tiefe Loch, dass er freigelegt hatte…seine .Spitzhacke war auf Widerstand gestoßen, der aber seltsamerweise weich und nachgiebig schien. Er nahm einen alten herumliegen Löffel zur Hand, beugte sich weit über das Loch und schabte im Schweiße seines Angesichtes an dem hellen Gegenstand herum, um ihn freizulegen.
Stimmen und Schritte aus dem Kellergang, die vor seiner Tür endeten, ließen ihn nur kurz aufsehen, dann widmete er sich wieder seiner Arbeit. Fest klopfte jemand an der Tür und eine befehlsbetonte Männerstimme sagte…
„Hier ist die Polizei...bitte öffnen Sie sofort die Tür…!“
Doch Friedel war unfähig, zu antworten, denn er starrte in kaltem Grausen auf das bleiche Knochengerippe, dass er bis zum Brustkorb freigelegt hatte.
Wieder klopfte es an der Tür…diesmal etwas energischer…
„Kommen Sie heraus! Was machen Sie da eigentlich?“
Friedel blickte verzückt auf die schimmernde Kette, die um den Hals des Gerippes lag und auf den großen grünen Anhänger, der ihn gleich dem Auge eines Riesen zu fixieren schien. Er hatte ihn…den Schatz. Zitternd streckte er seine Hand aus und umschloss den grünen Stein, der bei der Berührung gleich einem Feuer aufleuchtete. Rotgrüne Wellen aus Licht und Flammenlanzen suchten sich aus der Mitte des geheimnisvollen Steines einen Weg ins Freie und umhüllten Friedel, in dessen weit geöffneten Augen sich das Irrlichtern des Steines spiegelte. Die Lichtlanzen wanden sich durch den gesamten Kellerraum…traten unter der Tür hindurch in den Gang…
Wild wurde gegen die Tür geschlagen…und das entsetzte Geheul von Frau Sauersand untermalte das herrische Klopfen.
„Aufmachen…sofort…oder ich trete die Tür ein…“
Friedel streichelte liebevoll den strahlenden Stein…dann wurde die Tür von außen gewaltsam aufgestoßen und flog krachend zur Seite. Schlagartig erlosch das grünrote Leuchten…mit ihm verschwand das Skelett und Friedel…
Einsam und dunkel lag der Kelleraum vor den überraschten Blicken der beiden Eindringlinge. Nur die am Boden liegende Spitzhacke und das tiefe, leere Loch zeugten noch von Friedels Aktivitäten.
Frau Sauersand deutete mit zitterndem Finger auf das Loch im Boden…schüttelte wie im Fieber den Kopf und stammelte immer wieder…
„Ich hab`s gewusst…ich wird noch mal verrückt hier…das glaubt mir kein Mensch…kein Mensch wird mir das je glauben…“
Der Beamte wandte sich um und musterte eindringlich die Frau, dessen Unterlippe nervös zuckte. Dann überzog ein fast boshaftes Lächeln sein Gesicht.
„Genauso ist es, liebe Frau Sauersand…niemand wird Ihnen glauben…und ich auch nicht…“
Er straffte sich…setzte eine wichtige Mine auf und schnarrte…“Mitkommen...Kraft meines Amtes nehme ich Sie in Gewahrsam…!“
Copyright by Janet
Lächeln ist wie ein Fenster, durch das man sieht, ob das Herz zu Hause ist.
Wo ist Friedel??? obwohl ich die Geschichte nun schon 2 mal las, war sie immer noch so spannend, dass ich nicht schnell genug zum Ende kommen konnte. Super geschrieben Janet! Ich bitte um die Fortsetzung
beim stöbern gelangte ich heute zu der geschichte und ich las sie. die ist ja herrlich spannend beschrieben und so überzeugend dargestellt, dass sie förmlich nach einer fortsetzung schreit. liebe janet,es wäre zu und zu schön,wenn du sie fortsetzen würdest. sei herzlich gegrüßt. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Es gehört oft mehr Mut dazu,seine Meinung zu ändern,als ihr treu zu bleiben.
Liebe Camaela, Helga, Sieka, Lyla...lichen Dank für Eure lieben Kommentare!
Ich hätte nicht gedacht, dass Euch Friedels Schicksal so am Herzen liegt. Ich verspreche...sobald ich ein Lebenszeichen von ihm bekomme, werde ich es an Euch weitergeben!
Liebe Grüße Janet
Lächeln ist wie ein Fenster, durch das man sieht, ob das Herz zu Hause ist.
Liebe Janet, eine spannende Geschichte, die auf eine Auflösung wartet für uns alle. Hast Du wunderschön geschrieben, Du hälst auch mich in Atem, was wird uns noch erwarten? Liebe Grüße zu Dir, Karin Lissi
Liebe Janet, mir hat der Schreibstil und die Beschreibung der Personen und Umgebung sehr gut gefallen. Auch ist die Geschichte sehr spannend und ich würde auch gern noch mehr davon lesen... Weiter so!
also ich hätte geschworen, dass ich Dir zur Geschichte vom Friedel was geschrieben habe Warscheinlich hat sich dass bei meinem Abgang damals in Luft aufgelöst Aber ich glaube Du weisst noch wie gut, mir Deine Geschichte von Friedel gefallen hat, wie mir ja alles gefällt, was Du in Deinen wunderbaren Geschichten, den Menschen kundtust. Von mir aus wäre es schön und an der Zeit, wenn sich der Friedel wieder einmal melden würde
_____________________________ Mit liebem Gruss Gabi
Es ist ja in den Antworten dieses Threads schon desöfteren um eine Fortsetzung gebeten worden, und ich kann mich dem nur anschließen. Was als harmlose und amüsante Geschichte begann, bekam urplötzlich einen Spannungsbogen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, diese Story weiter zu erzählen. Ich bin mächtig gespannt, für welche du dich entscheiden wirst.
Danke für Dein Kompliment...und dass Du meine Geschichte gelesen hast. Das freut mich nun sehr! Sicher gibt es mehrere fantastische Möglichkeiten, wohin der "arme"(oder auch nicht) Friedel nun hin ist...
Herzlicher Gruß Janet
Lächeln ist wie ein Fenster, durch das man sieht, ob das Herz zu Hause ist.
hallo Janet - welch eine Überraschung!! So eine spannende Geschichte Eigentlich wollte ich mir heute Abend einen spannenden Fernsehabend machen. Statt dessen sitze ich hier an meinem Computer und habe den spannenden Fernsehabend!! ich schließe mich an - wo ist Friedel?
Liebe Grüße RUBI Du kannst hinfallen - aber du mußt IMMER WIEDER aufstehen!!!