Deine Leichtigkeit!
Das Blau des Himmels störten kleine, blütenweiße Schäfchenwolken. Weder die bunte Vielfalt der Frühlingswiese sah sie, noch hörte sie das Summen der Bienen und Hummeln.
Sirona lehnte am Stamm der mächtigen Buche und hielt die Augen geschlossen. Unzählige Gedanken strömten auf sie ein. Die Ereignisse der vergangen Wochen, Sorgen und Nöte ließen sie verzweifeln und der Kopf schmerzte. Ihr Leben erschien ihr dunkel und ohne Sinn.
„Wie kann ich bloß im Gewirr der Irrwege das Ziel finden?“ Sie seufzte schwer und öffnete die Augen,
doch was war dass:
Eine junge, biegsame, schlanke Gestalt tanzte über die leuchtende Frühlingswiese. Die langen, braunen Locken wirbelten im Wind. Eins mit Sonne und Erde, mit der Harmonie einer unbekannten Melodie bewegte sich dieses Wesen graziös.
Träumte sie? Sirona rubbelte ihre Augen, öffnete sie wieder. Nein, sie war hellwach.
Siehe da, jetzt machte es Halt dieses Etwas und streckte den Kopf der Sonne entgegen. Auf dem Gesicht lag Strahlen und Glückseligkeit. Die Frau trat näher um dieses feine Antlitz betrachten zu können. Dürres Laub raschelte und das tanzende Geschöpf war auf einmal verschwunden. Wie von Geisterhand: weg.
Enttäuscht lehnt sie sich wieder an den Stamm der Buche, verzweifelt flüsterte sie: „Wer hält mich hier zum Narren, treibt seinen Schabernack?“
„Suchst du mich?“ Sirona erschrak bis in die Zehenspitzen. Ein junger Mann stand vor ihr, wischte seine langen, braunen Locken aus dem Gesicht und blickte sie lächelnd an.
Die Frau starrte wie hypnotisiert in das schöne Antlitz, sie suchte nach den passenden Worten. Doch die Überraschung machte Sirona sprachlos. Sie ärgerte sich maßlos über ihre verwirrte und hilflose Art.
„Komm“, sprach der Mann und streckte ihr die Hand entgegen, „ tanz mit mir!“
„Nein“, Sirona schüttelte wild den Kopf, hob abwehrend die Hände. „Ich kann es nicht, ich kenne dich nicht und außerdem fühle ich mich miserabel. Nein ich will nicht,“ und jetzt stampfte sie wütend mit den Füßen.
Der Junge berührte ihre Hände und schon folgte sie ihm. Plötzlich fühlte sich Sirona unbekümmert und frei.
Der Wind zerrte an ihrem kurzen Haar und liebkoste ihr Gesicht, die wärmenden Strahlen der Sonne tauten das Eis in ihrem Herzen. Jetzt hörte auch sie die Musik und die Harmonie von Wind, Himmel, Sonne und Erde. Leicht schwebte und tanzte sie über die leuchtende, duftende Frühlingswiese.
Der Unbekannte ließ sich inmitten der Margeriten fallen und zog Sirona mit sich.
Widerstrebend folgte ihm die Frau. Seine Augen richteten sich auf das blaue Firmament und die hellgrünen Blätter der mächtigen Buche.
„Das Leben ist schön“, begann der Fremde zu reden. „Aber“, Sirona wollte ihm widersprechen, doch auf einmal schwebte ein duftiger, wunderschön zarter bunter Schwalbenschwanz herbei. Galant setzte er sich auf ihre ausgestreckte Hand.
Die Frau betrachtete verwundert das zauberhafte Geschöpf. Leicht wippte der Schmetterling mit den Flügeln auf und ab.
„Unglaublich“, Sirona staunte, „ er fürchtet sich kein bisschen und doch muss ich für ihn wie ein Riese erscheinen. Er hat keine Angst, seltsam.“
„Er vertraut dir und spürt, dass du ihm kein Leid antun wirst. Er besitzt die Macht bei dir zu sein, oder sich in den Himmel aufzuschwingen.“
„Und ich bin gefangen in meinen Sorgen und Nöten und muss hier bleiben“, die Frau spürte wieder nagende Traurigkeit.
Der junge Mann setzte sich auf, nachdenklich blickte er sie liebevoll und zärtlich an. Dann hob der Unbekannte die Hand und strich sanft über ihr Gesicht: „ Nun bist du hier. Himmel und Sonne sind dein. Wirf den Panzer der Sorgen ab und überlass sie dem Wind.
Frei sind dein Herz und deine Gedanken.
Alle Macht und das Glück sind nun bei dir. Jetzt ist jetzt, gestern und morgen sind weit. Nur das Heute zählt und alles andere wird sich finden.“
Sirona schloss die Augen und hörte nur noch die Melodie seiner Worte und verstand.
„Mein sind die Gedanken und die Traurigkeit trübt den Weitblick und lähmt mich. Du hast recht, warum ist auf einmal alles so glasklar und leicht. Und du wirst weiter ziehen. Ich spüre es, obwohl ich mir wünschte!“
Blitzschnell richtete sich Sirona auf und öffnete die Augen, voller Angst war ihr Herz, dass er schon wieder verschwunden sein könnte.
Doch ruhig saß er hier, die Augen geschlossen ließ er die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht tanzen. Gefast und ruhig blickte sie der Junge wieder an und antwortete: "Du hast recht, ich muss wieder fort. Viele, ja viel zu viele sind einsam und allein. Gefangene in Ketten gelegt, zerstört und verwirrt durch die lähmende Macht der Gedanken und der Angst. Ich will und muss sie befreien und ihnen helfen. Nun gehst du zurück in dein Leben und hilfst ihnen, meine Kraft und Liebe werden dich begleiten.
Habe keine Angst, vertrau dir selbst. Alle Macht und Herrlichkeit liegen in dir. Tief drinnen besitzt du sie, du musst sie nur ergreifen, besitzen und nie mehr loslassen. Auf der grünen Wiese mit der bunten Vielfalt der Blumen, der Harmonie von Wind, Luft und Erde warte ich auf dich. Glaube und vertraue darauf.“
Sirona sah unentwegt in die leuchtenden Augen und flüsterte leise: „ Ja dies werde ich tun, doch du wirst mir unendlich fehlen!“
Tränen rollten über ihre Wangen und verschleierten den Blick. Der junge Unbekannte wischte sie sanft weg und küsste zärtlich ihre Wangen und legte die Arme um sie. Sirona fühlte sich wieder geborgen und beschützt, Wie ein Hauch begleiteten sie seine Worte: „ Habe keine Angst, vertraue dir. Ich bin bei dir alle Tage deines Lebens. Lebe wohl!“

heidemarie