Lang war der Tag und schwer zugleich und nun schlüpft er in sein Abendkleid.
Auf der Bank hinter dem Haus sitzt ein Mann. Er ist müde - und die Last des Alltags drückt ihm auf die knochige Schulter. Er hebt den Kopf - und das Gesicht, in dem glanzlose Augen schlummern, wirkt fahl im Schein des jungen Mondlichts. Der Mann schaut gedankenverloren in den Abendhimmel, der heute besonders dunkel erscheint, und webt Gedanken um seine Sorgen. Er wird still… obwohl er ohnehin nicht geredet hatte.
Nach vielen Minuten steht er auf, geht ins Haus und kommt gleich darauf zurück mit einem Blatt Papier. Sein Glas, das hab leer auf dem Tisch steht, schiebt er zur Seite und beugt sich über die jungfräulich weiße Seite die vor ihm liegt. Er beginnt zu schreiben. All seine Sorgen, seinen Kummer und seine Ängste nennt er beim Namen und bannt sie in krakeligen Lettern auf das Papier. Lange Zeit sitzt er dabei gebeugt über dem Blatt, das sich nach und nach mit Tinte und salzigem Kummer füllt. Dann richtet er sich auf. Er liest, was da geschrieben steht. Aus dem Baum neben der Veranda ruft ein Käuzchen, als ob es die Zeilen des Mannes bestätigen wolle. Der Wind spielt in den Bäumen, es wird frisch. Die Nacht ist hereingebrochen und mit ihr die Stille. Noch ein Blick auf das Papier, dann knüllt er es in seinen Händen zusammen - drückt es ganz fest und bald hält er eine kleine Papierkugel in der Hand, kaum größer als ein Taubenei. Er erhebt sich von der Bank und geht langsam, aber zielstrebig in den Garten. Am Brunnen bleibt er stehen… schaut in seine geöffnete Hand, betrachtet das Papierknäuel in dem er seinen Kummer, und all seine Sorgen zerdrückt hat und entlässt es in die Tiefe des Brunnens. Ein kleines "Platsch" ist zu hören, durch seinen Körper geht ein Aufatmen, und dann ist es still..... Wie in Zeitlupe sinkt sein Körper hinab. So sitz er beim Brunnen… lehnt sich zurück, an die kalten Steine dessen und lauscht, - völlig frei und erleichtert dem Wind….
Zufriedenheit, Sanftheit und Ruhe legen sich um seine Schulter und seine Seele, wie ein wärmender, schützender Mantel. Er fühlt sich wohlig umhüllt und Geborgenheit streift ihm durch´s Haar. Nichts ist mehr da, was ihn bedrückt. Nichts was ihn ängstigt. Seine Sorgen sind ertränkt und nun zählt nur der Augenblick… dieser Moment, der seine Seele streichelt. Und er lauscht dem Wind… Eins mit sich, hört er auf die Weisen. Er sieht die Geschichten, die er erzählt... er hört die Träume, die er spinnt... und er spürt die Kraft, die er spendet… sein weiser Freund, der Wind…
Deine Geschichte gefällt mir, habe das schon öfters gelesen mit dem Blatt Papier und aufschreiben. Ich mache das im Gebet, ein Paket falten und Jesus Christus geben, mir hilft das sehr.
Dankeschön, liebe Heidemarie.... Seine Sorgen einpacken - sei es in ein Paket oder ein Blatt Papier... die Art und Weise spielt sicherlich keine Rolle, auch nicht, wem man sein "Paket" anvertraut/übergibt... sei es "ihm" oder dem Wind... Das Hilfreiche ist sicherlich das "Ritual" als Solches...
Ach Heike.... das berührt mich nun wieder... dass dich meine Zeilen zum Weinen gebracht haben...
Ja, der Wind ist mir schon immer wichtig und da gibt es ja auch schon einige Gedichte, in denen er eine (große) Rolle spielt. Dass es dir auffällt, freut mich. Der Wind (und der Mond) irgendwie hab ich seit langem Freundschaft mit ihnen geschlossen und derzeit ist das für mich ein großes Thema und wird mir selbst erst so richtig bewusst. Ich hab keinen "Gott" dem ich mich anvertraue - ich lausche dem Wind. Der Wind nimmt meine Gedanken mit sich... trägt sie fort, bringt mir auch neue Gedanken, ich kann ihm zuhören und mich ihm anvertrauen. Er behält alles für sich und trägt meine Gedanken und Träume, auch Sorgen und Kummer und Vergangenes, still mit sich und in die Richtung, wo sie hingehören.
Hallo Biggi, eine sehr schöne Geschichte mit viel Tiefgang und bilderreicher Sprache. Es macht Spaß, sie zu lesen und man ist beruhigt, dass der Mann einen Weg gefunden hat mit seinen Sorgen fertig zu werden. Viele Grüße
deine Geschichte ist sehr schön und auch einfühlsam geschrieben. Der Text ist durchgehend und flüssig. Das einzige Wort, mit dem ich nichts anfangen kann, ist das "dessen" in diesem Satz
an die kalten Steine dessen und lauscht,
Ansonsten wie gesagt eine zauberhafte Geschichte, was aber kein Wunder ist bei einem Profi wie dir.