Als heut ich spazierte am Morgen erblickt‘ ich ein Veilchen am Rand. Es war zwischen Dornen verborgen, man sah kaum sein blaues Gewand.
Ganz scheu stand’s, als würd sich’s verstecken und duckte sein Köpfchen geschwind, als wollt‘ es sich schützend bedecken vorm frischen und pfeifenden Wind.
Gedanken entfloh’n in die Ferne, als Mutter zu Hause noch war. Sie mochte die Blumen so gerne. Die Veilchen am liebsten sogar.
Ich blieb vor dem Blümchen kurz stehen. Wie schön war’s und zierlich gebaut. Doch als ich schon weiter wollt‘ gehen, da hat’s zu mir rüber geschaut.
Es schien so, als wollt‘ es was sagen. Ich schaute es neugierig an. Noch eh‘ ich gedacht es zu fragen, fing’s zögernd zu reden gleich an.
Ich bückte nun rasch mich hinunter. `s sprach leise, doch konnt‘ ich’s verstehn. Der Morgenwind, eben noch munter, hielt an jetzt sein kräftiges Weh’n.
„ Du Menschenkind, merk auf die Worte, die zu dir die Mutter einst sprach. Sie weilt nicht mehr hier an dem Orte, liegt lang schon im Erdengemach.
Sie bat dich den Schöpfer zu lieben, der dir und mir Leben geschenkt, und so steht’s im Buche geschrieben: Er ist’s, der den Weltenlauf lenkt.“
Im nächsten Moment stand es schweigend. Ich fühlte nun seltsamen Schmerz. Sein Köpfchen zur Erde sich neigend, sprach’s weiter, bewegte mein Herz.
„ Sie hat dich stets sorgsam geleitet mit Liebe, viel Kraft, ohne Ruh. Oft hast du ihr Kummer bereitet, warst störrisch und böse dazu.
Ich kämpfte mit Scham, die mich quälte, mit bohrendem Schmerz in der Brust. Wie sehr meine Mutter mir fehlte, war längst meinem Herzen bewusst.
„ Sie bat nie darum ihr zu danken“, so fügte das Veilchen hinzu, „und liebender Mutter Gedanken erlangen im Tode erst Ruh‘.
Umgeben von Mühen und Sorgen, erlitt sie manch schlaflose Nacht. Doch lachte sie wieder am Morgen, wenn sie dir das Frühstück gemacht.
Auch war sie des Öfteren müde und manchmal vergrämt ihr Gesicht. Wie brannte ihr Herz voller Güte. Warum, sag mir, sahst du das nicht?“
Mich trafen die Worte wie Pfeile. Das Veilchen stand stumm wieder da. Ich war wie gebannt, eine Weile. Mir waren die Tränen jetzt nah.
Ich sah, wie die Blüte sich reckte und Perlen in funkelndem Nass. Sie glänzten wie Tau, der bedeckte früh morgens das durstige Gras.
Jetzt spürt‘ ich den Wind wieder wehen. Das Blümchen erzitterte sacht. Ich konnt‘ es jetzt nicht mehr verstehen. In mir war ein Sehnen erwacht.
Schon lief ich mit eilenden Schritten zum Grab meiner Mutter geschwind. Ich wollt‘ um Verzeihung sie bitten, dass nie ihr gedankt ich, als Kind.
Nun stand ich vor steinernem Rahmen, Verzweiflung ergriff meine Hand, und las unter Tränen den Namen, der dort auf dem Marmorstein stand.
„ Ach Mutter, so hör doch mein Klagen! Ich bitt dich, verzeih deinem Kind.“ Ich hatte so viel ihr zu sagen. Die Worte verwehte der Wind.
Hi,Anette, Du musst sehr traurig gewesen sein, als Du dieses Gedicht schriebst.
Ja, man sollte zu Lebzeiten nichts versäumen, was man nachher nicht mehr nachholen kann. Aber Deine Mutter hört die Worte und wird verstehen. Wir Mütter sind ja genauso und nehmen unseren Kindern fast gar nichts krumm.
Ich bin allerdings froh, dass ich meine Mutter bis zum Schluß geliebt habe und eigentlich nie etwas Nennenswert Blödes passiert ist. So habe ich meinen Frieden, ich glaube, mehr konnte ich ihr als Tochter nicht geben als das Gefühl:Du bist gut bei uns aufgehoben und wir lieben Dich.Sie hat 20 jahre mit uns im Haus gelebt und bestimmt waren es für sie 20 ganz tolle Jahre. Aber weisst Du,Anette, man kann gutes verstehen nicht erzwingen,entweder es klappt oder nicht. Dazu gehören immer mindestens zwei,weißt Du, was ich meine? Aber, wie schon gesagt,Mütter sehen das alles nicht so eng-mach Dir mal keine Sorgen. Liebe Grüße
- Für den Optimisten ist das Leben kein Problem, sondern bereits die Lösung. -
ich habe dieses Gedicht, als einen " Schreibauftrag der Kirche" zu Muttertag geschrieben. Meine Mama erfreut sich zur Zeit noch der allerbesten Gsundheit. Somit trifft das hier bei mir noch nicht zu. Danke aber, dass du bis zum Schluss ausgehalten hast, da es sicherlich ein Lesemarathon darstellt. Ganz liebe Grüße an dich
mit diesen Worten rufst Du Erinnerungen wach - Erinnerungen an eine Zeit, in der wir uns geborgen fühlten, getragen von einer Liebe, die wir nicht zurückgeben konnten. ____________________________________________
„ Ach Mutter, so hör doch mein Klagen! Ich bitt' dich, verzeih deinem Kind.“ Ich hatte so viel ihr zu sagen. Die Worte verwehte der Wind. ____________________________________________
Doch, wir haben eine Antwort bekommen - ein zarter Wind hat sie uns zugeweht: "Gebt, was ihr von euern Müttern genommen, an Eure Kinder - es ist nie zu spät !"
Danke, liebe Anette, für diese Hymne an alle Mütter der Welt.
gerade lese ich mit Tränen in den Augen Deine wunderbare Ode an Deine liebe Mutter. Im Gegensatz zu Dir habe ich meine Mutter, die ich über alles liebe noch an meiner Seite. Darf ihr jeden Tag etwas zuliebe tun und ihr helfen, wenn sie nicht mehr alles so gut selber kann. Trotzdem fallen nicht immer nur liebe Worte, oftmals wird es mir auch fast zuviel. Aber Deine Worte helfen mir daran zu denken, nicht alles so eng zu sehen und noch mehr zu versuchen, ihr alles was ich kann zuliebe zu tun. Oft vergisst man im Alltag und im ewigen Einerlei, wie froh man sich schätzen kann, die Mutter noch an der Seite zu haben. Ich weiss nicht was ich machen werde, wenn Mum eines Tages nicht mehr hier ist, dass sagt Dir eine Tochter, die auch im Alter, immer noch weiss, was sie an ihrer Mutter hat Vielen Dank für Dein schönes Gedicht liebe Anette Herzliche Grüsse Gabi
P.S. Sorry Anette das habe ich erst jetzt gesehen, dass Deine Mutter glücklicherweise noch bei Dir ist. Ich kommentiere bevor ich lese, was andere Leser geschrieben haben
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