Das Schloss liegt im Schlummer, in schwärzester Nacht, doch wird in der Küche ein Feuer entfacht. Den Kessel mit Wasser zum Sieden man setzt und schleunigst den Stallknecht zur Hebamme hetzt.
Vom Fenster der Gräfin, oh siehst du es nicht, dass, schwach nur, ein Lichtstrahl das Dunkel durchbricht? Die schweren Gardinen aus blauem Brokat decken sich schweigend über Verrat.
Die Gräfin liegt stöhnend auf seidigem Tuch. Ihr Mann ist verreist, auf ihn wartet Fluch. Sie windet und krümmt sich im Wehenschmerz, erwartet nun bangend das Kind unter’m Herz.
Doch ist das Geschehen voll Freude und Leid, betrogen der Graf, er weiß nicht Bescheid. Untreu die Dame von ad’lig Geschlecht, sie gab sich einst hin dem feurigen Knecht.
Schon fährt die Kutsch’ mit der Amme durch’s Tor, nebst Stallknecht und edlen Pferden davor. Indess’, unter Wehen, die Gräfin sich bäumt, hat man in Eile den Tisch frei geräumt.
„Windeln und Decke legt schnell sie bereit, das Kind wird bald kommen, es bleibt nicht viel Zeit.“ Hebamme, Knecht und die treusorgend’ Magd blicken sich an, keiner was sagt.
Plötzlich ertönt in dem Zimmer ein Schrei, dann leises Gewimmer – nun ist es vorbei. Man schaut auf den Knaben von dunklem Gesicht. Rache des Schicksals, verfluche ihn nicht!
Die Gräfin liegt schluchzend, das Kind in dem Arm. „Allmächtiger Himmel, erbarm’ dich, erbarm’!“ Die Menschen erstarren, der Schreck sie nun lähmt. Das Herz einer Mutter sich ängstigend grämt.
Sie sinkt vor Erschöpfung in ruhlosen Schlaf.. Was wird er wohl sagen, der nichts ahnende Graf? Von baldiger Rückkehr man sorgenvoll spricht. Wie soll man’s erklären? Man weiß es noch nicht.
Es wird leis’ geflüstert, gesucht einen Rat. Die Amme ist’s die eine Lösung jetzt hat…
Später sieht reiten den Knecht man vom Schloss, er hält es ganz fest, das Bündel im Schoß. Mit fliegendem Mantel jagt er durch die Nacht, als wär’ hinter ihm der Teufel erwacht.
Am anderen Morgen, die Sonne scheint hell, verlangt nach dem Knaben die Mutter sehrschnell. Da dringt zu ihr Jammern und Klagen der Magd. Sie weiß nicht weshalb, den Grund sie erfragt.
Sie blickt in die Wiege, ihr Herz bricht entzwei. Von Kummer und Schmerz erstickt wird ihr Schrei. Die Beine tragen den Körper nicht mehr. „ Oh, seht nur, die Wiege - die Wiege ist leer!“
Die Mutter voll Trauer, Verzweiflung und Not, man ließ sie im Glauben ihr Kind wäre tot.
Weitab vom Schloss wuchs der Knabe heran. Die Gräfin, getrieben von düsterem Bann, schlich durch das Schloss in mondleerer Nacht und hat sich, im Wahnsinn, selbst umgebracht
Du hast hier eine Ballade mit einem hinreißenden Rhythmus ins Gedichtehaus gestellt, wie sie einst jene andere Anette mit ihrem "Knaben im Moor" erdacht und für uns niedergeschrieben hat - einfach klasse !
Dein Gedicht hat sicherlich nicht nur historischen Hintergrund - ich vermute, daß sich auch heute noch solche Dramen in mancher Familie abspielen - vielleicht nicht mit derartig tragischem Ausgang. Es vermittelt den Eindruck, als habest Du diese Geschichte unmittelbar erlebt.
Ich habe dieses Meisterwerk mit Spannung gelesen - gefällt mir sehr gut.
Ich liebe diese gereimten Geschichten von Dir, liebe Anette. Es erinnert an die alten Geschichten-Gedichte der großen Meister/innen. Sehr einfallsreich, toll gereimt und mit viel Gefühl. Jede Zeile ein Genuss!
Die Poesie heilt die Wunden, die der Verstand schlägt Novalis
Hallo liebe Anette!! Dein Gedicht hat mir gut gefallen,entführte in eine andere Zeit!! Kann mich da den Anderen nur anschließen,deine große Gabe der Reimkunst fantastisch umgesetzt!! LG Frank
Ach Anette, warum diese herrliche Ballade ohne Happyend. Ich hätte den Graf als tolerant gemalt. Nicht jeder Adlige kommt aus Hannover und ist burnoutet, hab lange nach einem Wort gesucht, das eine Beleidigungsklage verhindert, Hartmut. Für die Ballade