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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 661 mal aufgerufen
  Anna Winter
AnnaWinter ( gelöscht )
Beiträge:

17.03.2008 21:44
Flusswege Antworten


Flusswege

Ich liebte es, wenn ich die Augen schließen konnte und den Nebel schmeckte, wieder roch, die Augen aufschlug und die Sonnenstrahlen sah, wie sie sich durch die Wasserkristalle kämpften.
Das war der Grund, warum es sich lohnte so früh aufzustehen.
Der Rhein teilte sich.
Ich hatte ihn mein Leben lang verfolgt, mir immer eine Wohnung in seiner Nähe gesucht.
Als ich Kind war, stand ich in Köln – in einer Industrielandschaft – und durfte den Fuß nicht herein halten, so schmutzig sollte er sein.
Ich sah den kleinen Fischen zu, die sich am Rand in schwankender Ruhe hin und her treiben ließen.
Wie ging es ihnen, wenn ich nicht mal meine Haut mit dem Wasser in Verbindung bringen durfte?
Ich weiß nicht, ob es stimmte oder ob meine Mutter nur im Vorfeld verhindern wollte, dass ich ertrinke.
Sie war immer sehr vorsichtig.
Alles, was ich wahr nehmen durfte, spiegelte meine Lebensillusion wieder, so wie ich sie gern gehabt hätte.
Ich stand auf, spürte die taunassen Schuhe, ging zurück, verschloss die Tür.
Nur zwei Stunden am Morgen verließ ich das Haus.
Ich schaute mir die Welt nur dann an, wenn sie menschleer und ruhig erwachte.
Morgen wie heute, mit dem Nebel und der Sonne... liebte ich besonders.
Doch gleich würde alles anders, gleich verdunstet das Wasser an den Blattspitzen, man wird den See riechen und die Sonne wird die Erde zum Tode erhitzen.
Da blieb ich lieber im Haus, zwischen meinen dunklen Wänden, der regulierten Temperatur.
Ich mochte es, mir meine Welt zu gestalten und nur die Eindrücke abzufangen, die sich meines Erachtens nach lohnten.
Das waren nicht viele vor der Tür, die meisten fand ich in Büchern.
Seit drei Wochen wohnte ich nun hier oben und der Fluss wurde zum Meer hinaus klarer, aufsässiger, zeige Charakter, der ihm sonst von Bauwerken verliftet worden war.
Es ist nicht so, dass ich mir nicht seine Nebenflüsse angeschaut hätte.
Wer mir vorwerfen will, ich hätte mich nur an einem orientiert, der täuscht!
Meine Eltern fuhren mit mir auch zu vielen anderen Flüssen in Europa, aber ich blieb hier, verband den Fluss mit dem ersten Zeh-ins-Wasser-Verbot, mit der Fürsorge meiner Mutter.
Er gab mir eine Säule, auf die ich mich stützte.
Dennoch musste ich aus meinem Geburtsort raus, an dem die nächsten Ufer-Bäume einbetoniert, verkümmert und hilferingend aussahen.
Das konnte ich nicht ertragen und ich erhoffte mir eine Besserung in Richtung Meer, erschien es mir doch als gewaltiges Sammelbecken vieler Flüsse und als Aufhebung des Freiheitsraubs, wie ich ihn zuvor erlebte.

Wenn ich in meiner Wohnung saß, dann las ich immer sehr viel, aber nie über Flüsse, das erinnerte mich an meine Mutter, das galt es zu verhindern.
Die Flussthematik konnte ich nur am Morgen zwischen Sonnenfärbung und Nebelschleppen ertragen, wenn ich keine Wasserqualität roch und die Vögel die einzigen waren, die meine Anwesenheit mitbekamen.

>> Mehr Menschen sollten Flüssen hinter her ziehen! <<

Ich unterhielt mich mal mit einer alten Dame, die konnte mich verstehen, saß bei einem Psychiater, der mir ungewöhnliche Identitätssuche attestierte.
Aber das kann ich so nicht bestätigen.
Ich hatte eher das Gefühl, er befand sich selbst auf dem Weg, gab es nur nicht zu, weil er daran verkümmerte.
Nach meinen ersten beiden Umzügen, hielt ich im Sommer (wenn es dunkel wurde) noch Kontakt zu dem Nachbarn.
Das sparte ich mir heute. Immer wieder schienen sie mich für verrückt zu erklären.
Da blieb ich lieber allein und konzentrierte mich auf das Lebensleben.

Ich bin fast an meinem Ziel angekommen.
Ein Umzug steht noch bevor.
Aber es wird noch etwas dauern, bis ich ihn angehe.
Strecken brauchen Zeit, aber die Freude der Wegaufnahme teilt sie gerecht ein, wenn man denn ein Ziel hat...

Mirko Offline


Hausfreund/in



Beiträge: 536

18.03.2008 03:23
#2 RE: Flusswege Antworten

Klasse geschrieben, skizziert.
Ich vermute mal,
du schreibst wie du auch deine Skizzen machst.
Gefällt mir sehr gut.

Der Satz ist klasse:
"Strecken brauchen Zeit,
aber die Freude der Wegaufnahme
teilt sie gerecht ein,
wenn man denn ein Ziel hat..."


Und dem, was du dem Psychiater attestierst,
kann ich nur beipflichten...

schatzgräber Offline


Aktiver



Beiträge: 114

02.06.2008 12:31
#3 RE: Flusswege Antworten

Ich liebte es, wenn ich die Augen schließen konnte und den Nebel schmeckte, wieder roch, die Augen aufschlug und die Sonnenstrahlen sah, wie sie sich durch die Wasserkristalle kämpften. Das war der Grund, warum es sich lohnte so früh aufzustehen...Strecken brauchen Zeit!

Gerne gelesen, liebe Anna!

liche Grüße
Schatzgräber

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