Wenn im Herbst die Dämmerung schon am späten Nachmittag ins Tal schleicht, begeben sich die Schafe eng an eng zur Ruhe. Die Lämmer liegen aneinandergekuschelt zusammen. Kein Millimeter Platz ist mehr zwischen ihnen, damit sie sich gegenseitig gegen die Kälte der Nacht wärmen können. Schneeweißchen, ein junges Mutterschaf, liegt neben ihrem ersten Lamm Sunny. Sie hat immer ein bisschen Angst in der Dunkelheit. So viele Geräusche hört Schneeweißchen um sich herum. Ihre Mutter hat sie ihr oft erklärt. Das Huschen ganz in der Nähe sind die Mäuse, die aus ihren Mäuselöchern kommen und die Reste des Getreides suchen, das der Schäfer den Schafen ausstreut. Das Flattern in der Luft ist die Eule, die so manches Mal hohe Schreie ausstößt, wenn sie Mäuse fangen will. Das Schttt...Schttt...Schttt sind die Rehe, die vorsichtig einen Fuß vor den anderen durch das Gras setzen und immer auf der Hut sind entdeckt zu werden. Wenn gar kein Geräusch zu hören ist, ist sicher der Fuchs unterwegs, der Lautlose. Schneeweißchen drängt sich dann noch näher an Sunny, um sie besser spüren zu können. Die Wildschweine sind die lautesten Tiere in der Nacht. Sie hört man schon von weitem. Dann grunzt und quietscht es und davor hat Schneeweißchen gar keine Angst. Aber wenn, wie in dieser Nacht, der Nebel aus dem Tal aufsteigt, wird es Schneeweißchen ganz unheimlich. Dafür hat ihre Mutter auch nie eine Erklärung gehabt. Langsam kommen die Nebelschwaden über die Wiese. Im fahlen Mondlicht legen sie sich über die Schafe und ihre Feuchtigkeit setzt sich auf die Wolle. „Mama“, hört Schneeweißchen die Stimme ihrer Tochter Sunny ängstlich fragen „ Was ist das? Mir wird so kalt und schaurig.“ Schneeweißchen legt ihren Kopf auf Sunny und leckt ihr tröstend über die Ohren. Ein leiser Wind bewegt den Nebel. „Sunny, Du brauchst Dich nicht fürchten. Das sind die Feen des Waldes. Sie fangen unsere Träume auf. Sie tanzen miteinander und wenn sie einen Traum schweben sehen, hüpfen sie hoch, um ihn festzuhalten.“ Schneeweißchens Angst wird immer kleiner, während sie ihrer Tochter erzählt. Und wirklich, ein Windstoß pustet in den Nebel hinein und es sieht aus, als ob der Nebel tanzt. „Was machen denn die Feen mit unseren Träumen?“ Sunny kuschelt sich unter Schneeweißchens Kopf. „Die Feen warten bis die Sonne aufgeht, Liebes. Auf den Sonnenstrahlen rutschen die Träume ganz nach oben in den Himmel. Und dort warten sie, bis sie in Erfüllung gehen können.“ „Mama, wir beide träumen jetzt schnell einen schönen Traum“, sagt Sunny und eng einander geschmiegt schlafen beide ein.
Das hast du schön geschrieben, lieber Karsten! Ja, die Träume nehmen uns unsere Ängste, aber man(n) sollte aufpassen, sich nicht in ihnen zu verlieren...