Glücklich sind die Eintagsfliegen [1. Revision nach Anregung von Winni]
Glücklich sind die Eintagsfliegen. Woran mag denn das bloß liegen? Wenn sich turtelnd zwei betören und auf ewig Liebe schwören, hält ihr Glück ihr Leben lang.
Glücklich sind die Eintagsfliegen, weil sie niemals Heimweh kriegen, denn sie fliegen nie weit fort von dem angestammten Ort. Fremd ist ihnen Reisedrang.
Glücklich sind die Eintagsfliegen, weil sie sich ja nie bekriegen. Will sich eine Fliege hauen, rät man ihr ganz im Vertrauen, bis zum nächsten Tag zu warten.
Ach, was wissen Eintagsfliegen über Ströme, die versiegen, über Meere, die verschwinden, auch den Wandel in den Winden und den Tod von vielen Arten?
Glücklich sind die Eintagsfliegen, weil sie niemals sich verbiegen, um wie and're Glück zu jagen, die nach freudlos schweren Tagen ihrem Leben erst erliegen.
Lieber Arne.ich wollte schon in die Hände klatschen und wegen der Eintags-Lebezeit ein bisschen meckern, aber da kam es ja doch noch in der dritten Strophe!
Aber dann die letzte ... sie hat mir alles wieder 'verhagelt', als ich lesen mußte: 'und nach v i e l e n schönen Tagen ...'
Winni, Du hast recht - ich habe die dritte Zeile missverständlich formuliert und muss da noch mal ran. Es steht:
Glücklich sind die Eintagsfliegen, weil sie niemals sich verbiegen, um das große Glück zu jagen und nach vielen schweren Tagen ihrem Leben zu erliegen.
Gemeint ist: Die Eintagsfliegen verbiegen sich niemals, weil sie NICHT nach dem großen Glück jagen (sie haben nur einen Tag), weil sie NICHT viele schwere Tage erleben (sie haben nur einen Tag) und NICHT wie andere am Ende einer langen, erfolglosen Glücksjagd nach einem schweren, harten Leben sterben, ohne ihr Lebensziel Glück erreicht zu haben. Stattdessen sterben sie nach einem Tag, indem sie einfach nur so glücklich waren und sie werden nie etwas anderes kennenlernen (sie haben nur einen Tag).
Ich arbeite daran und mache es noch etwas deutlicher. Eintagsfliegenromantik wieder da?
Lizzy, da hast Du ja fast mein Lebensmotto erraten: "Wer am Ende seines Lebens den Dispo nicht voll ausgereizt hat, hat irgendetwas verkehrt gemacht".
Übrigens habe ich das Gedicht geschrieben, nachdem wir mit der ganzen Familie im Kino "Verwünscht" geguckt haben. Bonuspunkte, wenn jemand errät, was an dem Film diese Zeilen inspiriert hat.
Hallo Arne, ein tolles Gedicht und ebenso eine interessante Gleichung. Wie unbedeutend erscheint die Differenz der Lebensdauer einer Eintagsfliege im Vergleich zum Menschen, der gemessen an der kosmischen Zeit ja noch weniger als ein Augenschlag existiert. Wenn wir zudem noch bedenken, was eine Eintagsfliege geistig reaktionell verarbeiten muss, so erleben wir Menschen durch unsere geistig langsamere Verarbeitunggeschwindigkeiten auch nicht unbedingt mehr, als dieses Insekt. Somit darf man sicher vermuten, dass sämtliche Lebensformen subjektiv gesehen in etwa gleich alt werden, selbst wenn der Meerschwamm über 1000 Jahre alt wird. So denn, ein wahres Meisterwerk. LG, G. Ast
Dein Eintagsfliegengedicht ist meisterhaft ,wunderschön ,bin total begeistert die Vergleiche die Du ziehst sind super sehr einfühlsam ,nachdenklich machend geschrieben