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BirgitM ( gelöscht )
Beiträge:

13.09.2008 07:27
Himmelskost Antworten

entstanden aus einem Autorentreff

Aus folgenden Sätzen (gesammelt, einzeln gezogen/ausgelost) eine Geschichte schreiben:

Anfangssatz: Gehe mit mir...

Mittelsatz: Ausharren war seine Devise.

Schlusssatz: Das war also sein Geheimnis.


Himmelskost

„Gehe mit mir in deine Zukunft. Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ (Joh 14,6) stand auf dem großen Plakat an der Hauswand gegenüber Berthold Himmels Feinkostgeschäft. Montagmorgen hatte es auf einmal dort gehangen und es war ihm gleich aufgefallen, als er die Rollläden seines Ladens hochzog. Unterschrieben war der Ausspruch mit „christliche Gemeindemission Ostwig“.
Über seine Zukunft hatte sich Berthold noch nie viele Gedanken gemacht, er war Realist und malte sich keine rosigen Zeiten aus. Sein Geschäft lief recht ordentlich, er hatte sich eine Stammkundschaft aufgebaut, die die hervorragende Qualität seiner Speisen und Getränke schätzte. Er hatte keine Träume, dass sich in seinem Leben etwas ändern würde. Ausharren war seine Devise.
Und doch blickte er schon wieder durch die Schaufensterscheibe auf die Inschrift des Plakats. Zukunft, Wahrheit, Leben? Plötzlich fragte er sich, wofür er eigentlich lebte. Er war mit achtundvierzig Jahren im besten Alter eines Mannes, hatte sich auch eine annähernd sportliche Figur mit ein paar Fettpölsterchen an den Hüften bewahrt. Sein schwarzes Haar war noch voll und ergraute nur leicht an seinen Schläfen. Nicht gerade ein George Clooney-Gesicht, aber doch eine angenehme und freundliche Erscheinung. Er kleidete sich gepflegt mit Oberhemd und Bundfaltenhose zu dunkelbraunen Lederslippern. Und trotzdem hatte sich seine Frau schon vor Jahren von ihm getrennt, sie hatte einfach eines Morgens zu ihm gesagt: „Ich halte es mit dir nicht mehr aus, dieses tägliche Einerlei. Bei uns gibt es keine Abenteuer, keine Leidenschaft, keine Liebe mehr. Ich gehe.“ Damit hatte sie einen Koffer gefüllt und war mit unbekanntem Ziel ausgezogen. Berthold hatte sie nur verständnislos angeschaut, er hatte nicht einmal versucht, sie zurück zu halten. Er hatte sie stumm angesehen und war dann ins Bad gegangen, um sich für die Arbeit fertig zu machen. Er hatte wie jeden Tag der Woche seinen Laden um 9 Uhr geöffnet, mittags eine kurze Pause eingelegt und abends sein Geschäft um 18 Uhr wieder geschlossen. Danach war er den kurzen Weg zu Fuß nach Hause gegangen, hatte sich ein Mikrowellengericht warm gemacht und sich damit vor den Fernseher gesetzt. Wie immer war er dann davor gegen 22.30 Uhr eingeschlafen, um spät in der Nacht noch für ein paar Stunden ins große kalte Bett um zu ziehen. „Leben, war das Leben?“ fragte er sich. Sollte er Sonntag einfach mal zu dieser Gemeinde gehen und sie fragen, was Leben bedeutet? Er war nie ein besonders gläubiger Mann gewesen, er hatte keine Kinder und seine Eltern waren lange tot. Sein Bruder lebte in Amerika, so weit weg, dass er nur hin und wieder Geburtstags- oder Weihnachtsgrüße von ihm bekam.
Die ganze Woche schaute Berthold immer wieder auf das Plakat und wurde immer unruhiger und nervöser. „Was wäre wenn er am Sonntag in den Gottesdienst ginge? Sollte er wirklich?“ Es war, als wenn er auf einmal aus seinem tiefen Schlaf erwachte, plötzlich sah er sich seine Kunden an: reiche, oberflächliche, unfreundliche Snobs, die mit immer neuen und raffinierteren Köstlichkeiten verwöhnt und umgarnt werden wollten. Er schauderte, auch seine erlesenen Speisen waren doch eigentlich nur Nahrungsmittel, wenn auch seltene und exklusive, ging ihm auf. Seine Kunden waren bereit, das 10 bis 20fache für eine Torte oder Pastete aus zu geben, als sie im Supermarkt kosten würden. „War das nicht ein Irrsinn?“ Berthold bekam auf einmal einen schalen Geschmack auf der Zunge, die Räucherlachscreme aus Norwegen, die Gänsestopfleber aus Bayern, das handgepresste Gourmetöl aus Marokko oder gar die Frischkäsepralinen umhüllt mit Schokolade, sie widerten ihn auf einmal an. Früher war es sein größter Stolz gewesen, die außergewöhnlichsten Genüsse und Weine zu verkaufen, nun stellte er fest, wie hohl und wertlos seine Motive waren. „Und in der 3. Welt herrscht Hunger.“ dachte er bedrückt.
Der Sonntag nahte, von Berthold herbei gesehnt, er drückte sich auf den hintersten Platz des Gemeindesaales und hörte aufmerksam der Predigt zu. „Jesus“, schoss es ihm durch den Kopf, „brauchte er ihn?“ Der Pastor las laut aus der Bibel vor: „Jesus spricht: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, der wird nimmer mehr dürsten.““ (Joh 6, 35)
Berthold hatte diese Worte auch schon früher gehört, aber nun brannten sie sich in sein Gehirn. „Brot des Lebens“, ja, er wollte auch davon satt werden, auch er hungerte nach dieser himmlischen Speise. Er spürte, ihm fehlte dieser Jesus in seinem Leben, er könnte ihm Sinn und auch Freude geben. Über dem Altar sah er das Kreuz mit Jesus daran. Das war also sein Geheimnis.

© Birgit Malow 09/2008

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