Ich habe so tief geschlafen, dass ich erst nach dem zweiten pechschwarzen Kaffeeaufguss bemerke, dass ich in der Küche vor der Rose sitze. Sie trägt ihren dunkelroten Kopf geneigt und schaut mir ungeniert und tief in meine Tasse Kaffee hinein. Gestern Abend noch bemerkte sie mich gar nicht, weil sie die schneeweiße Küchendecke zu ihrem persönlichen Himmel erkoren hatte.
Wenn Eva mit ihren immer und immer natürlich leicht gebräunten Beinen, die genauso verschlafen aus meinem Pyjamaoberteil herausschauen können, wie ihre dunkelbraunen Knopfaugen, dich so sehen wird. Du bist schneller in dem Eimer mit den verpilzten Käseresten, den Eierschalen vom leckeren Pfannkuchen, der angeschimmelten Leberwurst und den Apfelsinenschalen, als dein Vasenwasser im Ausguss.
Mir ist dein Schicksal gleichgültig. Wirklich und absolut gleichgültig. Ich schaue nur tief in meinen Kaffee. Genauso wie du. Nur ich wandere nicht so bald in den Mülleimer. Ich habe dich gestern auch nicht gefragt, bei Blumen-Leier, ob du mitkommen willst. Gekauft und eingepackt in Folie. Ein bisschen mit gesenktem Kopf durch die Straße gegangen und… Eva hat sich erstaunt gefreut. In ihren Augen stand deutlich zu lesen, so etwas wie: ist schon lange her aber wirklich nett von dir. Was dann passierte, beherrscht seit unserem ersten Mal mit immer noch eisenharten Muskeln unter der natürlich gebräunten Haut.
Jeden Morgen dreißig Minuten durch den Treptower Park. Brr. Brr. Jeden Morgen. Brr. Mittwoch und Freitag mit Brigitte ins Sportcenter.
Herbert hat mir erzählt, dass seine Brigitte einen Freund hat. Seitdem ist sie besonders nett zu ihm. Aber Rosen schenkt er ihr keine mehr.
Aus den eisernen Muskeln, die Fersen auf meinem Rücken verschränkt, gibt sie mich erst dann wieder frei, wenn kein Tropfen Blut mehr in mir ist. Deshalb, du roter Verführer, hängt auch mein Kopf gleich deinem. Ha. Ha. Ha. Dein Schicksal ist mir gleichgültig. Im Eimer leiste ich dir keine Gesellschaft.
Die Blumenverkäuferin hat mich angesehen. Mit ihren blauen Augen unter dunklen Wuschelhaaren. Das sie in beiden Ohren jeweils hundert Ringe trägt, klingelt mir erst heute Morgen vor der nickenden Rose durch den Kopf. Zielsicher hat sie dich genommen. Und ich stand vor ihren blitzend weißen Zähnen ebenso gebannt, wie vor dem Löwen, der seine gierigen Zähne nach ihrem Bauchnabel bleckte und doch in seiner blauen Tinte nahezu bewegungslos verharrte.
Ich werde heute Nachmittag wieder zu ihr gehen. Mit grenzenloser Empörung werde ich die über Nacht eingeknickte Rose reklamieren, damit der Löwe meine Erregung nicht bemerkt. Sie wird um die blauen Augen herum verlegen erröten. Warum sollte ich eine zweite Rose nehmen?
Genau so habe ich es mir gedacht. Aber so kommst du mir nicht davon. Du hast den Samen mit deiner so schnell gekränkten Rose selbst gesät. Direkt in mein Herz. Heute Morgen platzte er auf und betäubte mir alle meine Sinne, die anfällig in meiner Blutleere bloß und verwundbar bereit lagen.
Ich stieg in die falsche S-Bahn und habe meine Sekretärin mit dem Mädchennamen begrüßt. Ich könnte auch noch erzählen, dass ich die Toilette auf unserer Etage nicht mehr gefunden habe. Wie auch? Dort sitzt nach dem Umbau schon seit drei Jahren die Brillenschlange mit misstrauischem Blick auf alle Reiseabrechnungen. Sie hat mich angelächelt. Sie ahnte, was ich bei ihr wollte. Und so weiter bis zum Nachmittag.
Ein Italiener ist bald gefunden. Ihr Maik war vom Anruf zum plötzlichen Abendtermin mit Lisa enttäuscht. Meine Eva kennt das und sagt nichts mehr dazu. Von Harry Potter und Amy Winehouse mit ihren fünf Grammys und Drogendelikten kenne ich genau so viel, wie sie von Heinrich Heine und Beethoven. Die Rolling Stones touren doch noch! Aber ihr Interesse daran schien mir so aufgesetzt, dass ich mein Fragen auf Piercing und Tätowieren wechsle.
Später vermisse ich die eiserne Fersenklammer. Die Flammen schlagen lichterloh, doch mir bleibt kalt. Als ich auch noch an den kleinen Ringen, die ihre Rosenknospen zieren, sie kräftig zur Explosion zu ziehen habe, verspüre ich einen stechenden Schmerz hin und zurück und hin und zurück und hin und zurück von den Haarwurzeln am Schopfe bis in die großen Zehe.
Leise schleiche ich mich in meine Einzelzelle. Mein Schnarcherzimmer. Als sich deine eisernen Muskeln sanft entspannen, küsse ich zärtlich deine Nasenspitze und kuschele mich erleichtert seufzend in deine Arme.